Samstag, April 12, 2025
SAP-Wechsel wird als einmalige Chance gesehen

Die Umstellung auf S4/HANA in Betrieben, die Unterstützung von Geschäftsprozessen durch die IT und globale Herausforderungen für Unternehmen – Gernot Stöger-Knes und Helmut Ritter sind angetreten, die SAP-Sparte bei dem Technologie- und Managementberater BearingPoint in Österreich aufzubauen.


Welchen Bedarf sehen Sie in Sachen SAP in Unternehmen heute? Wie weit ist der S4/HANA-Markt in Österreich gediehen?

Helmut Ritter: Abgesehen von wenigen Vorreitern haben sich die meisten Unternehmen in den vergangenen Jahren zwar mit S4/HANA beschäftigt, es aber noch nicht für das Tagesgeschäft umgesetzt. Das ändert sich jetzt mit dem Start von Projekten in der Breite – wir sprechen hier von Projektvolumen im siebenstelligen Bereich und aufwärts. Viele Unternehmen nutzen den Wechsel auch als einmalige Chance, ihr IT-System völlig neu aufzustellen. Man nimmt sich dafür mehr Zeit und nimmt mehr Geld in die Hand. Andere gehen aus Ressourcengründen zunächst einen einfacheren Weg. Sie werden aber in spätestens fünf bis zehn Jahren sehen, dass sie doch ein grundsätzlich neues SAP-System benötigen. Deswegen glauben wir, dass dieser »Run«, in dem wir uns derzeit befinden, nicht mit 2027 enden wird.

Gernot Stöger-Knes: Die Geschwindigkeit in der Strategie der HANA-Umsetzung kann auch vom Stellenwert der IT in einem Unternehmen abhängen. Wenn die IT als Wettbewerbsfaktor gesehen wird, wird man vorne mit dabei sein. Oft sind andere Aktivitäten im Unternehmen bestimmend, denn ein Wechsel zu HANA bedeutet Arbeit an Kernprozessen, was stets interne Ressourcen bindet. Selbst bei einer Brown- oder Blue-Field-Umstellung, die zur Gänze oder teilweise auf vorhandene IT-Strukturen und Daten baut, muss entsprechend getestet werden. Es wird also immer internen Aufwand auf Kundenseite geben.

Warum ist BearingPoint ein guter Partner, um SAP-Projekte bei Kunden umzusetzen?

Stöger-Knes: BearingPoint ist nicht nur im SAP-Bereich, sondern auch in vielen anderen technologischen Feldern tätig. SAP öffnet sich mit der Cloud und der SAP Business Technology Platform unterschiedlichsten Technologien. Das können wir direkt mit unserem Portfolio adressieren und zusätzlich unsere Organisationskompetenz einbringen – etwa in der agilen Transformation von Unternehmen. Die Kompetenzen von BearingPoint sind die Technologieberatung ebenso wie Organisations- und Managementberatung. SAP ist gefühlt hier in der Mitte zu finden. 

Ritter: Es macht auch Freude, dass sich der frühere Monolith SAP in den vergangenen Jahren stark verändert hat. Das SAP-System rückt eigentlich in den Hintergrund – sichtbar sind unterschiedlichste Anwendungen und oft auch neue Start-ups mit gutem Geschäft, die an SAP-Lösungen angebunden werden.

Sie leiten seit Anfang des Jahres gemeinsam die neu gegründete SAP-Sparte bei BearingPoint in Österreich. Wie sind Sie derzeit aufgestellt?

Stöger-Knes: BearingPoint hat eine wechselhafte Geschichte zum Thema SAP in Österreich, verfügt aber über mehr als 1.000 SAP-Consultants in Deutschland, hat einen SAP-Fokus an Standorten in der Schweiz, Frankreich, Italien und anderen europäischen Ländern. Zusätzlich haben wir ein Entwicklungszentrum in Rumänien und Indien. Wir sind nun mit unserem Know-how angetreten, gemeinsam mit der breiten Expertise unserer Kolleg*innen aus den unterschiedlichsten Branchen, die SAP-Sparte in Österreich wieder zu stärken. Wir bauen unser Team bis Jahresende auf und können bereits heute alle Prozesse in der Wertschöpfungskette von Unternehmen – von Finanzen angefangen über Logistik, Vertrieb und Beschaffung – mit Experten-Know-how abdecken. Ebenso gilt das für den Technologiebereich SAP Business Technology Platform und für Basisthemen in den Projekten. Es ist eine gute Grundlage für weiteres Wachstum und für die Integration zusätzlicher Mitarbeiter*innen. 

Ritter: BearingPoint ist de facto ein neuer Player im SAP-Markt in Österreich. Wir sind überzeugt, dass wir mit unserem Wissen, unserer Erfahrung und dem bestehenden Know-how im Unternehmen eine perfekte Mischung für unsere Kunden bieten. 

Welche Segmente in der Wirtschaft wollen Sie künftig ansprechen? 

Stöger-Knes: Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung in den Prozessen und Anforderungen der produzierenden Industrie, stellt diese Branche sicherlich einen besonderen Fokus dar. BearingPoint selbst hat bereits einen starken SAP-Schwerpunkt im »Automotive and Industrial Manufacturing«. Zusätzlich wollen wir bei Kunden der BearingPoint Österreich in allen Geschäftsfeldern das Thema SAP adressieren – so etwa im Bankensektor.

Ritter: Die Banken müssen in diesem Bereich noch viel umsetzen. Es gilt, aufgrund der Vorgaben von SAP bis zum Jahr 2027 auf SAP S/4HANA zu wechseln. SAP ist das letzte große Softwareunternehmen Europas mit einem Marktanteil von 84 % in der Region Österreich, Deutschland und Schweiz. Weltweit werden 450.000 Unternehmen ihr SAP-System auf die neue Release umstellen müssen. Das ist ein enormes Volumen und viele Unternehmen gehen die Umstellung jetzt aktiv an. Die Nachfrage ist da. 

Auch der SAP-Markt ist vom Fachkräftemangel betroffen. Bekommen Sie genügend Fachleute?

Stöger-Knes: Der Jobmarkt ist auf jeden Fall herausfordernd. Zum Glück haben wir durch unsere langjährige Tätigkeit im Beratungsgeschäft bereits einige Mitarbeiter*innen für BearingPoint begeistern können. BearingPoint baut auch selbst Personal auf, mit einem Bootcamp in Graz für Hochschulabsolventen und Quereinsteiger. Und natürlich ist unser Recruiting-Team kreuz und quer bei Jobmessen präsent.  

Ritter: Es hilft zudem, dass BearingPoint seit Jahren an der Spitze der Top-Arbeitgeberbewertungen in Österreich ist. Der Unternehmensname hat eine starke Zugkraft, da viel für die Markenpflege und für die Mitarbeiter*innen getan wird. BearingPoint bietet zum Beispiel eine Leadership-Ausbildung in Yale oder Oxford. Zu Beginn ihrer Tätigkeit nehmen Mitarbeiter*innen an einem Onboarding-Event auf einem Trainingscampus in Brüssel teil.



Bild: Die Experten Gernot Stöger-Knes und Helmut Ritter sehen mit der starken Marke BearingPoint die ideale Basis für die Umsetzung von SAP-Projekten bei den Kunden.

Was ist ein gutes Beispiel für einen Wandel in der Wirtschaft auf Technologiebasis?

Ritter: Einer unserer Kunden ist Österreichs größter Straßenlogistiker. Das Unternehmen hat ein Prozent Marktanteil in Europa und operiert dynamisch mit Transportfahrzeugen – Zugmaschinen und Auflieger. Wir haben ein System für optimierte Routen und LKW-Beladungen entwickelt, damit Lieferungen termingerecht und ressourcenschonend – kurze Wege, weniger Spritverbrauch und Emissionen – zugestellt werden können. Dafür gab es ursprünglich kein System am Markt. BearingPoint hat in einer mehrjährigen Zusammenarbeit eine durchgängige Logistiklösung umgesetzt, die nicht nur über GPS mit den aktuellen Standortdaten der Fahrzeuge arbeitet, sondern auch die Anlieferungen an Lagerhallen in den Prozessen unterstützt. Das Personal vor Ort bekommt rechtzeitig den Zeitpunkt und Einsatzpunkt für den Gabelstapler, weiß den Bedarf für einen freien Platz zur Anlieferung und auch die Größe des benötigten Lagerplatzes – der dann bestenfalls so kurz wie möglich genutzt wird. Im Hintergrund werden Daten an das ERP-System übergeben, der Mehrwert der Lösung liegt aber in den Geschäftsprozessen. Welcher LKW wo gerade in Europa unterwegs ist, wer spontan Paletten auf seiner Strecke mitnehmen kann – das zu wissen und steuern zu können, kommt Auftraggebern, Kunden und der Umwelt gleichermaßen zugute. 

Welchen Stellenwert haben Nachhaltigkeitsthemen bei SAP-Projekten heute?

Ritter: Das Thema ist mehr und mehr ein Teil der Projekte. SAP hat bereits ein eigenes Sustainability-Portfolio am Markt. Unter den Angeboten ist der »Emission Calculator« von BearingPoint, mit dem Unternehmen den CO2-Fußabdruck ihrer Tätigkeiten für Verbesserungen und Reportings messen und dokumentieren können. Wir setzen mit einer Mitarbeiterin ab Juni auf diese die Kombination von ESG- (Anm. Environmental, Social, Governance), SAP- und Industrieprozess-Know-how und Nachhaltigkeit.

Welchen Herausforderungen und welchen Chancen begegnen Sie bei Großprojekten?

Stöger-Knes: Bei Green-Field-Implementierungen werden mit dem Gang in die Cloud die Prozesse neu definiert. Man beschäftigt sich mit einer Harmonisierung oder führt »Best Practices« von SAP ein und löst damit einen internen Change aus. Bei einem aktuellen Projekt mit einem Unternehmen in der Schweiz mit 15 Standorten weltweit, darunter einige Produktionsstandorte, werden nun auch Zuständigkeiten neu strukturiert. Globale »Process Owner« und »Process Experts« sind Rollen, mit denen sich die Firma vorher nicht beschäftigt hat – es gab ja die globale Ebene nicht.

Auf SAP-Seite werden jetzt die Prozesse in Zusammenarbeit mit dem Business technisch neu definiert. Darüber hinaus müssen die Menschen mitgenommen und angehalten werden, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Die Prozessverantwortlichen des Kunden müssen mit dem Beraterteam das Zusammenspiel der Produktionswerke und die Harmonisierung der Prozesse in den Werken mitbedenken, ebenso den gesamten logistischen Fluss zwischen den Werken und mit Kunden und Lieferanten. Im Finanzbereich ist das in der Regel schon der Fall, nicht aber bei den Stammdaten auf Produktionslevel. Wer legt diese an? Wer sorgt für die Datenqualität? Wie wechselt man von den Kunden-Lieferanten-Beziehungen zwischen den Standorten nun zu Umlagerungsbestellungen? Und wie führt man diese automatisiert ein? Das sind spannende Themen, die viel Veränderung für Unternehmen bedeuten. In der Regel dienen die Projekte nicht dem Abbau von Mitarbeitenden, sondern einer Wachstumsstrategie, um mit der bestehenden Belegschaft mehr Umsatz zu generieren und damit eine bessere Marktposition zu erreichen. Der Schritt zu S4/HANA bietet den Anlassfall für diese Überlegungen.


Gernot Stöger-Knes hat Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau an der TU Graz studiert und ist seit 1998 in der SAP-Beratung. Der Experte war in den Bereich Maschinen- und Anlagenbau tätig, speziell in der Vertriebslogistik und bei der Einführung und weltweiten Harmonisierung von SAP-Systemen. Stöger-Knes war bei ai informatics tätig und bei dem SAP-Berater Phoron Consulting, für den er zusätzlich den Standort Brasilien aufgebaut hat, Managing Consultant und Geschäftsführer. Seit 2023 ist der Leiter des SAP-Bereichs bei BearingPoint.

Helmut Ritter ist mit dem Studium Handelswissenschaften – Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik ebenfalls seit 1998 im SAP-Bereich tätig. Den boomenden SAP-Markt in Österreich und insbesondere Kunden im Finanzbereich betreute Ritter zunächst bei ai Informatics. Anschließend war er gemeinsam mit Gernot Stöger-Knes am Aufbau von Phoron Consulting beteiligt und verantwortete zuletzt die Agenden des CFO bei dem Beratungshaus. Nach dem Ausstieg bei Phoron wechselte Ritter zu BearingPoint, um dort das SAP-Segment aufzubauen und zu leiten.

Fotos: Milena Krobath

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