Dienstag, April 22, 2025

Mit digitalen Gütern im Netz Geld verdienen - für Verlage, Musik- und Filmproduzenten jahrelang eine knifflige Existenzfrage. Die Gamesbranche hat originelle Antworten parat.

Gratismentalität, »Raubkopierer«, Digital Rights Management: Die Schlagworte der Kulturindustrie sind altbekannt, wenn es um den Wandel zum neuen, digitalen Geschäftsmodell geht. Lange Jahre wurde versucht, mit immer drakonischer werdendem DRM, drastischen Drohkampagnen und immer stärkerem Druck auf die Gesetzgebung die alten, analogen Geschäftsmodelle auch digital zu verankern – mit wechselndem Erfolg. Dass die Profite von Musik- und Filmindustrie inzwischen trotz konstant hoher »Piraterie« weiter steigen, ist auch einem kleinen Umdenken geschuldet: Apples iTunes-Modell hat Musik ganz ohne DRM-Fesseln zu günstigeren Preisen für viele wieder kaufbar gemacht, und Streaming-Anbieter wie Netflix zeigen vor, dass mit dem Filmpublikum im Netz auch Geld verdient werden kann, wenn das Angebot den neuen, veränderten Konsumgewohnheiten angepasst wird.

Neue Modelle

Am radikalsten experimentiert freilich eine andere Industrie mit neuen Modellen. Die globale Gamesbranche, inzwischen in Umsätzen Film- und Musikindustrie ebenbürtig, hat seit jeher mit ihren rein digitalen Produkten Erfahrung mit dem »Neuland« Internet – im guten wie im schlechten. Das klassische Vertriebsmodell – große Publisher vertreiben exklusiv die Produkte »ihrer« Entwicklerstudios für den globalen Markt – existiert zwar noch, jedoch hat der zunehmend rein digitale Direktvertrieb von Spielen eine Vielzahl an kleinen und kleinsten Unabhängigen hervorgebracht, die sich ganz ohne Mittelsmann direkt an die Kunden wenden. Dass man auch als Einzelkämpfer mit dem schwerfälligen Blockbuster-Business gleichziehen kann, beweisen Phänomene wie »Minecraft«: Das Sandkastenspiel eines einzelnen Schweden hat sich weltweit 35 Millionen Mal verkauft.

Finanzier mich!

Ein Erfolgsrezept dieses Ausnahmespiels war das sogenannte Alphafunding: Statt sein Spiel fertigzuentwickeln und dann zu verkaufen, konnten neugierige Spieler zum reduzierten Preis schon frühzeitig spielen und so wertvolles Feedback liefern – ein zugegeben nur im Medium Computerspiel mögliches Vorgehen, das inzwischen Dutzende Nachahmer gefunden hat. Inzwischen wird dieses Modell durch Crowdfunding noch ergänzt: Plattformen wie Kickstarter mobilisieren zum Teil Millionensummen von tausenden Nutzern, die so ihr Traumspiel verwirklicht sehen wollen. Dass man auch dann verdienen kann, wenn man sein Produkt (fast) verschenkt, beweisen zwei andere Monetisierungsmodelle. Pay-what-you-want etwa ist ein gutes Geschäft. In zahlreichen Paketen verknüpfen seit einigen Jahren Firmen wie »Humble Bundle« kleine und größere Spiele mit Spenden an den guten Zweck - und fahren damit satte Gewinne ein. Ältere, kleine oder bei Release untergegangene Spiele profitieren von der Aufmerksamkeit, die Käufer zeigen sich angesichts der selbst festsetzbaren Preise und der unterstützten Charities spendabel. 50 Millionen Dollar hat Humble Bundle in den ersten drei Jahren seines Bestehens erwirtschaftet, 20 Millionen gingen an wohltätige Zwecke. Inzwischen wagen sich zunehmend auch Film-, Musik- und Literaturschaffende in den Humble-Store.

Free-to-Play

Weniger wohltätig ist ein anderes Konzept: Free-to-Play heißt ein Megatrend, der inzwischen allerdings ins Zwielicht gerät. Denn »gratis« ist bei diesen Spielen, die zunehmend von den ganz Großen der Branche als zukünftige Cashcows gesehen werden, nur der Einstieg. Auch Nicht- oder Wenigspieler verbinden mit Namen wie »Farmville« oder »Candy Crush« nicht nur spaßigen Zeitvertreib, sondern auch von Psychologen meisterhaft ausgeklügelten Sucht- und Frustrationsspiralen, die schlussendlich doch das Geldbörsel lockern sollen – um Verhübschungen, zeitsparende Spielgegenstände oder zusätzliche Spielmodi freizuschalten. Bereits 2011 wurden mit virtuellen Gütern aus diesen und ähnlichen Spielen 233 Millionen Euro Umsatz gemacht – alleine in Deutschland. Kein Wunder, dass der Gesetzgeber aufmerksam wird: »Konsumenten und speziell Kinder benötigen einen besseren Schutz vor unerwarteten Kosten durch In-Game-Verkäufe«, erklärte EU-Kommissarin Neven Mimica erst Ende Februar. Zumindest dem Etikett »Free-to-Play« könnte es somit bald an den Kragen gehen. Ein Ende des Spielgeldflusses ist dennoch nicht in Sicht: Mit 66 Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr ist die globale Gamesbranche weiter kräftig im Wachsen – auch dan  cleverer neuer Geschäftsmodelle.

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