Montag, April 21, 2025

Der Wandel in der Erzeugung, im Transport und im Konsum von Energie stellt traditionelle ebenso wie neue Marktteilnehmer vor große Herausforderungen. Was müssen die Netze der Zukunft können, um allen Anforderungen gewachsen zu sein? Welche Schlüsseltechnologien werden diese Prozesse mitgestalten? Und wie kann in diesem dynamischen Umfeld die hohe Versorgungssicherheit in Österreich aufrechterhalten werden? Am 2. Juni diskutierten hochrangige Sprecher aus der Wirtschaft, der Verwaltung und von Interessensvertretungen zu den brennenden Themen Wandel der Energiesysteme und Netzstabilität. 120 Besucher waren in den Festsaal der Wiener Netze gekommen. Partner des Podiumsgesprächs des Report Verlag waren das Forum Versorgungssicherheit, Wiener Netze, Wind Energie Burgenland und ABB.

„Die Anzahl der Stromerzeuger hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Das ist für die Netze grundsätzlich kein Problem. Sie sind fit und haben Reserven, um auch mit plötzlichen Lastspitzen umgehen zu können“, betont Peter Weinelt, Geschäftsführer Wiener Netze und Vorstandsmitglied Forum Versorgungssicherheit. „Solch eine Flexibilität fällt aber nicht einfach vom Himmel, sondern muss mit dem weiteren Ausbau der Netze erarbeitet werden.“ Dank langfristiger Netzplanungen müsse sich in Österreich kein Kunde – ob Haushalt oder Industrieunternehmen – Gedanken über die Versorgungssicherheit machen. „Eine leistungsfähige Infrastruktur ist aber gerade deswegen so wichtig“, appelliert Weinelt. „Gerade in den Sechziger und Siebziger Jahren wurde viel in die Stromnetze investiert. Diese Infrastruktur muss irgendwann einmal erneuert werden.“

„Auch in unserem Unternehmen gab es anfangs Widerstand, auf die Windkraft mit ihren fluktuierenden Erzeugungsleistungen zu setzen. Wir haben aber gelernt, dass es sich auszahlt, auf Erneuerbare zu setzen“, verrät Wolfgang Trimmel, Geschäftsführer Energie Burgenland Windkraft. 1997 wurden die ersten kleinen Anlagen in Zurndorf auf der Parndorfer Platte errichtet. Heute betreibt Energie Burgenland Windkraft 220 Windräder. Im ganzen Burgenland sind es über 400 Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 1 Gigawatt. „Das entspricht der Leistung eines Atomkraftwerks und bringt große Herausforderungen für die Netze. Bei entsprechender Windlage kann diese Erzeugungsleistung innerhalb von 20 Minuten von Null auf Hundert anwachsen“, beschreibt Trimmel. „Diese Spitzen schnell und sicher abzuführen funktioniert nur über die Höchstspannungsebene, die Stromautobahn.“

Smarte Netze bedeuten aus Sicht von ABB vor allem auch große Veränderungen in den Verteilnetzen. „Sie sind ein wichtiger Faktor dabei, ob wir unsere energie- und klimapolitischen Ziele in Europa erreichen“, erklärt Franz Chalupecky, Vorstandsvorsitzender der ABB AG in Österreich. Diese Wende sei nicht kostenlos. Die nötigen Investitionen dazu beginnen bei den Smart-Meter-Rollouts und betreffen auf weiteren Ebenen die gesamte Netzarchitektur. „Wir arbeiten neben entsprechenden Produkten und Systemen auch an neuen Softwarelösungen, um diese Probleme zu lösen. Informationstechnologie wird zunehmend in die Verteilnetze einziehen, um diese flexibel und automatisiert – also intelligent – managen zu können“, sagt Chalupecky. Insbesondere betrifft dies den umgekehrten Stromfluss in die Ortsnetze der vielen neuen, kleinen Erzeuger beispielsweise im Bereich Photovoltaik. „Am Ende wird sich das Geschäftsmodell der Energieversorger völlig verändern, es wird neu definiert“, ist er überzeugt.

„Energieversorgung ist kein Selbstzweck, sondern hat bestimmte Anforderungen zu erfüllen. Vor allem muss sie jene erreichen, die von ihr abhängig sind“, bringt es Christian Schönbauer, Leiter Sektion III - Energie und Bergbau, Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, auf den Punkt. Die Aufgabe des Staates sei nun, „den gewaltigen Veränderungsprozess insbesondere in der Stromversorgung, in dem wir uns befinden, auf den Boden zu bringen – und die hohe Versorgungssicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten.“ Schönbauer sieht die herrschenden Förderprogramme in Österreich für Erneuerbare als Anreizprogramme für neue Technologien und Geschäftsmodelle.

„Es gibt energiepolitische Zielsetzungen, die allen klar sind, deren Kosten derzeit aber mehrheitlich von den Haushalten getragen werden. Diese verbrauchen 25 % des Stroms in Österreich, tragen aber 55 % der Netzkosten“, informiert Dominik Pezenka, Arbeiterkammer Wien. Dem Energieexperten zufolge sollten aber die Haushalte in dieser Diskussion nicht in einen Topf geworfen werden. Während ein Hausbesitzer mit eigener Photovoltaikanlage am Dach Netzkosten verursacht und sich durch den Eigenverbauch auch der Netzfinanzierung teilweise entzieht, haben städtische Wohnungsmieter diese Möglichkeit in der Regel nicht. „Es wird in Zukunft wichtig sein, ein Tarifmodell zu finden, das auf diese neuen Gegebenheiten Rücksicht nimmt. Wir arbeiten für Gerechtigkeit im Sinne einer solidarischen Finanzierung des Energiesystems. Letztlich geht es um eine Systemverantwortung der Erneuerbaren“, betont Pezenka.

Die Energiewirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten ein sehr stabiles, funktionierendes System geschaffen, das nun plötzlich Veränderungen unterworfen ist. Dies werde die Rollen der Energieunternehmen verändern und neue Geschäftsmodelle hervorbringen, ist Hemma Bieser, Geschäftsführerin avantsmart, überzeugt. „Es sind viele Ideen da, wir stehen aber noch am Anfang. Gerade im IT-Bereich sind bereits einige Startups erfolgreich, die auf Themen wie Energieeffizienz und Energieeinsparungen setzen. Auch Unternehmen wie Tesla oder Google stoßen in diesen Markt.“ Für Bieser ist die entscheidende Frage „nicht immer, das beste Produkt zu bieten, sondern eine Sache der besten Vermarktung. Hier sehe ich heimische Startups in einer guten Position, sich auch gegen die Großen zu behaupten.“

Fotos zur Veranstaltungauf der flickr-Seite des Report: https://www.flickr.com/photos/award2008/sets/72157651898431493/

Das Kurzvideo zum Gespräch: https://www.youtube.com/watch?v=K4gIDGrMQD0

Der vollständige Nachbericht erscheint im Fachmagazin Energie Report Ende Juni und auf www.report.at

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