Dienstag, Mai 20, 2025



Beschaffung und Transparent in den Lieferketten, im Gespräch mit Henning Hatje von Lhotse. Das deutsche Unternehmen hat sich auf smarte Lösungen im Procurement spezialisiert – zum Nutzen auch für Unternehmen hierzulande.


Die Krisen der letzten Jahre haben Lieferketten stark unter Druck gesetzt. Welche Auswirkung hatte das auf die Beschaffungsprozesse von Unternehmen?

Henning Hatje: Mit der Globalisierung der Wirtschaftskreisläufe haben die Unternehmen viele Produktionsschritte in weit entfernte Länder verlagert. Dabei werden viele dieser Produkte und Rohstoffe unter unzumutbaren Umwelt- und Arbeitsbedingungen, zu Hungerlöhnen oder gar mit Kinderarbeit hergestellt oder gewonnen. Aufgrund dieser Zustände und teilweise auch der Ignoranz der Unternehmen haben sich immer mehr Regierungen dazu entschlossen Lieferkettengesetze zu erlassen. Auch Österreich ist nun damit konfrontiert. Zum einen existiert ein entsprechender Richtlinienvorschlag der EU-Kommission und – sollte dieser auch noch dauern – dann tritt doch in Deutschland, dem größten Handelspartner Österreichs, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft. Nicht nur die deutschen Unternehmen, sondern auch ihre direkten Zulieferer müssen nun in Bezug auf menschenrechtliche und umweltbezogene Fragen Bericht erstatten.

Sowohl in Frankreich als auch den Niederlanden bestehen ähnliche Gesetze, die österreichische Unternehmen ähnlich indirekt betreffen. Ziel ist es, den Schutz der Menschenrechte entlang globaler Lieferketten zu verbessern und zum Beispiel Kinder- und Zwangsarbeit zu verhindern und für Mensch und Umwelt gefährliche Stoffe zu verbieten. Dies stellt für manche Unternehmen eine große Herausforderung dar, da es leider oft an Transparenz seitens der einzelnen Lieferanten mangelt.

Wie lassen sich krisenfestere Einkaufsprozesse aufbauen?

Hatje: Es gibt viele Möglichkeiten, den Einkauf vor Krisen zu schützen. Führungskräfte im verarbeitenden Gewerbe sollten ihre Lieferanten diversifizieren, um sich gegen die Risiken der globalen Lieferkette abzusichern. Mehr Bestände an zu wenigen Orten reichen nicht aus, um die Risiken erheblicher Störungen zu mindern.

Anstatt die Produktion ins Ausland zu verlagern, sollte sie näher an den Heimatstandort verlegt werden. Ford zum Beispiel hat dies vor kurzem getan und ein neues Batterieentwicklungszentrum im Südosten Michigans eröffnet, um die wachsende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen zu befriedigen, ohne die Abhängigkeit von ausländischen Zulieferern zu erhöhen.

Und neben Just-in-Time-Lieferketten sollten auch Just-in-Case-Lösungen, wie Experten sie nennen, in Betracht gezogen werden. Dies erfordert den Aufbau von Lagerbeständen an kritischen Punkten in der Lieferkette, um den Stürmen verschiedener Krisen standhalten zu können.

Welche digitalen Möglichkeiten gibt es, Beschaffung und Einkauf im Unternehmen zu optimieren?

Hatje: Während die meisten Unternehmen einen Großteil ihrer Beschaffungsanstrengungen und -budgets auf die direkten Ausgaben verwenden, wird den indirekten Ausgaben oft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Es ist ein oft kostspieliger Fehler, denn indirekte Ausgaben sind für einen kosteneffizienten Betrieb unerlässlich und haben einen größeren Einfluss auf das Endergebnis, als viele Unternehmensleiter denken. Der beste Weg zur Optimierung der indirekten Ausgaben und der Beschaffung im Allgemeinen ist die Nutzung von KI und Technologie. Eine der Hauptursachen für Ineffizienz ist die Tatsache, dass Einkaufsprozesse oft noch manuell und fragmentiert sind und hier die Transparenz fehlt. Technologische Innovationen erhöhen die Ausgabentransparenz und rationalisieren die Prozesse, um die Einhaltung von Vorschriften zu gewährleisten und Kosteneinsparungen zu erzielen.

Hat auch die Klima-Krise Einfluss auf die Lieferketten? Ist ein wachsendes Nachhaltigkeitstreben bei Einkäufern spürbar?

Hatje: Definitiv. Eine zunehmende Zahl von Unternehmen dehnt ihr Engagement für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung auf ihre gesamte Wertschöpfungskette aus, insbesondere auf ihre Zulieferer. Grund dafür sind nicht nur soziale und ökologische Risiken wie die Klimakrise, sondern auch Herausforderungen im Management und Transparenz der einzelnen Lieferketten. Eine zukunftsfähige Lieferkette bietet den Unternehmen viele Vorteile, diese bezieht sich auch auf kleine und mittelständische Unternehmen. Für Unternehmen ist nachhaltiges Lieferkettenmanagement ein wesentlicher Treiber für Wertschöpfung und Erfolg und kann für bessere Beziehungen zu Unternehmen in Entwicklungsländern führen. Das Ziel einer nachhaltigen Lieferkette ist es, langfristige ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile für alle an der Produktion und Vermarktung beteiligten Akteure zu schaffen.

Welche Rolle kommt Technologien wie KI beim Lieferantennetzwerk zu, können diese für mehr Sichtbarkeit auch für kleinere Händler sorgen?

Hatje: Softwarelösungen wie Lhotse ermöglichen es Unternehmen, vollständige Transparenz und Sichtbarkeit in ihrem Beschaffungsprozess zu gewährleisten. Bei Lhotse kombinieren wir unsere Datenbank mit Hunderttausenden von Lieferanten mit dem jeweiligen bestehenden Lieferantenwissen, um sicherzustellen, dass Unternehmen vollen Zugang zu Lieferanten haben, unabhängig von deren Größe. In dieser Hinsicht kann KI durchaus für Transparenz bei kleineren Lieferanten sorgen. Darüber hinaus kann sie aber auch auf andere Art und Weise helfen, zum Beispiel durch die Erleichterung von Compliance-Prozessen.

Welche Vorteile ergeben sich durch diese digitale Entwicklung für Einkäufer?

Hatje: Die Digitalisierung sorgt dafür, dass Geschäftsanwender Beschaffungsprozesse und -Protokolle ohne die Hilfe von Beschaffungsabteilungen durchführen können sowie eine ganzheitliche Transparenz geschaffen wird. Dank der Digitalisierung können sich die Mitarbeiter auf die Strategie konzentrieren, anstatt manuelle, sich wiederholende Aufgaben zu erledigen welche meist viel Zeit und demnach auch Kapazitäten in Anspruch nimmt. Die Software von Lhotse schafft nicht nur mehr Kapazitäten für die strategische Beschaffung, sondern senkt auch die gesamten Beschaffungskosten, indem sie eine größere Anzahl und bessere Angebote findet.
Darüber hinaus kann die Software ausgaben analytische Berichte erstellen und hilft so die Beschaffung in einem Unternehmens immer weiter zu optimieren.


Über die Person

Henning Hatje ist im Gründungsteam des seit 2020 tätigen Procurement-Unternehmens Lhotse und für den Bereich Kunden und Partnerschaften verantwortlich. Zuvor hat er bei Boston Consulting Unternehmenskunden zu strategischen Themen im Einkauf, Compliance sowie Digitalisierung beraten.

Foto: Annette Koroll


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