Sonntag, April 20, 2025
Rein elektrisch oder Wasserstoff - wem gehört die Zukunft?

Eine umfassende Energiewende stellt das gesamte Verkehrssystem vor ein neues Konzept: vermeiden, verlagern, verbessern. Doch für den Erfolg ist eine möglichst effiziente Nutzung erneuerbarer Energiequellen entscheidend. Die Frage ist, ob Wasserstoff auf der Straße eine Rolle spielen wird.

Der Gesamtstrombedarf in Österreich nimmt aufgrund des Ausstiegs aus fossilen Energieträgern im Verkehr, der Industrie und anderen Sektoren zu. »Für das Jahr 2050 wird damit gerechnet, dass 30 bis 50 Terawattstunden zusätzlich verbraucht werden«, informiert Ulla Rasmussen, Expertin für Energie und Klima beim Verkehrsclub Österreich.Heute werden etwa 60 TWh in Österreich erzeugt und 10 TWh importiert. Daher gilt es, mit Erneuerbaren möglichst effizient umzugehen.

Im Mobilitätsbereich erfordert das ein genaues Abwägen zwischen Elektromobilität und Wasserstoff. In der Anschaffung sind beide Technologien deutlich teurer, im Vergleich zu einem konventionellen Antrieb liegen die Wartungskosten aber nur bei einem bis zwei Drittel, je nach Kilometerleistung. »Die Kosten glätten sich über die Laufzeit, daher ist gerade bei einem hohen Anschaffungswert Leasing deutlich attraktiver«, argumentiert Renato Eggner, Geschäftsführer Fuhrparkmanagement bei Raiffeisen Leasing.

Bild oben: »Wir forschen an Technologien für die gesamte Wasserstoffwirtschaft spezialisiert im Bereich der Elektrolyse – wie man erneuerbaren Wasserstoff herstellt – und entwickeln auch Speichertechnologien«, beschreibt Alexander Trattner das Tätigkeitsfeld von HyCentA Research an der TU Graz. Am HyCentA wird in Ergänzung zu den fünf öffentlichen österreichischen Wasserstoffbetankungsanlagen eine Forschungsbetankungsanlage betrieben, erweitert um eine Abgabestelle für Busse und LKWs mit einem Nenndruck von 350 bar.

Mobilität auf Pol-Basis

Der Elektromotor ist mit einem Wirkungsgrad von über 90 % eine der effizientesten Antriebsmaschinen. Würde man alle Verbrennerfahrzeuge gegen E-Autos tauschen, wäre das laut Ute Teufelberger, Vorsitzende beim Bundesverband Elektromobilität Österreich (BEÖ), ein Anstieg des Gesamtstromverbrauchs um lediglich 15 %.

Für Unternehmen bietet die E-Mobilität große Chancen. Abgesehen vom positiven Image sind Elektroautos in gewerblichen Fuhrparks schon heute wirtschaftlich. Gesamtkostenvorteile ergeben sich aus Ersparnissen beim Kraftstoff, geringeren Wartungskosten, reduzierten Lohnnebenkosten durch den Wegfall des Sachbezuges bei Privatnutzung, Vorsteuerabzug, Entfall der Normverbrauchsabgabe und der motorbezogenen Versicherungssteuer.

Die aktuelle E-Mobilitätsoffensive 2020 der Bundesregierung unterstützt E-Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur. KäuferInnen eines E-PKW erhalten seit Juli 5.000 Euro Förderung statt bisher 3.000, Heimladestation werden mit 600 statt bisher 200 Euro gefördert, Ladestationen in Mehrparteienhäusern sogar mit 1.800 Euro.

In zehn Jahren wird laut einer Analyse von Deloitte weltweit bereits jeder dritte verkaufte Neuwagen mit einem elektrischen Antrieb ausgestattet sein. Entscheidend ist dafür nicht nur der Kaufpreis, sondern die vollen Kosten über die gesamte Nutzungsdauer. »Elektroautos haben keine verschleiß- und wartungsintensiven Teile wie Schaltgetriebe, Auspuffanlage und Verbrennungsmotor und auch der Ölwechsel entfällt«, erklärt Teufelberger. Zudem verweist sie auf sinkende Batteriepreise. 2030 könnten diese 30 % im Vergleich zu heute kosten. Ulla Rasmussen relativiert den Anteil der Batterie an den Gesamtkosten etwas, denn die Lebensdauer der Lithium-Ionen-Batterien liegt bei mindestens zehn Jahren oder rund 4.000 Ladezyklen. Hersteller sprechen bereits von mindestens 150.000 km respektive 15 Jahren.

Sicherer Erfolg

Der erste E-Golf hatte eine Reichweite von 150 km, heute sind 500 km durchaus normal. In den letzten Jahren hat sich extrem viel in der Batterietechnologie getan. 1.000 km sind laut Experten 2030 keine Utopie. Auch hinsichtlich Ladedauer gibt es deutliche Fortschritte: An Schnell-Ladestationen dauert es je nach Fahrzeugmodell 30 Minuten bis zwei Stunden, an der eigenen Steckdose allerdings noch immer um die zehn Stunden. Aber Achtung: Normale Steckdosen sind nicht auf die hohe Dauerlast ausgelegt, sie müssen auf ihre Eignung kontrolliert werden.

Öffentlich sind derzeit 5.000 Ladepunkte zugänglich. In Wien werden bis Ende 2020 rund 1.000 öffentliche E-Ladeanschlüsse zur Verfügung stehen, derzeit gibt es 800. Schnellladestellen wird es nur vereinzelt geben, denn laut Jürgen Rechberger, Leiter der Abteilung Fuel Cell bei AVL, sind die Stromnetze nicht ausreichend darauf ausgelegt.

Lücken bei Wasserstoff

Was für die Elektromobilität Realität ist, fehlt für Wasserstoff nahezu komplett – das Tankstellennetz. Momentan gibt es österreichweit fünf Ladeorte: Wien, Graz, Wiener Neudorf, Asten und Innsbruck. »Laut unseren Hochrechnungen braucht man für ein erstes flächendeckendes Netz 40 Tankstellen«, hält Alexander Trattner, Geschäftsführer von ­HyCentA Research der TU Graz, fest. Solange Konsumenten keine Tankmöglichkeit haben, wird sich Wasserstoff nicht durchsetzen – ein Antrieb, der sauber, emissionsfrei, sehr flexibel ist, mit kurzer Betankungsdauer und hohen Reichweiten.

Manfred Schrödl, Professor am Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien, verweist jedoch auf die sehr hohen Energieverluste. »Beim Umwandlungsprozess von Strom in Wasserstoff gehen 30 % verloren, weitere 20, wenn Wasserstoff in das Fahrzeug gebracht wird. Im Auto erfolgt noch die Umwandlung zurück in Strom, die dabei eingesetzte Brennstoffzelle hat nur einen Wirkungsgrad von zirka 50 %. Das heißt, die Hälfte der im Wasserstoff enthaltenen Energie geht als Wärme für den Fahrbetrieb verloren.«

Asiatische Hersteller würden im Wasserstoff die Zukunft sehen, denn sie haben durch ihre zahlreichen Kernkraftwerke enorme Strommengen. Nischenanwendungen im Mobilitätsbereich gebe es allerdings, etwa beim Langstrecken- und Schwerverkehr, wo Batterien nicht einsetzbar sind. »Grüner Wasserstoff hat als Langzeit-Energiespeicher und in der Industrie Zukunft, wenn auch die entstehende Abwärme gut genutzt wird«, ist sich Manfred Schrödl sicher.

Im Schwerverkehr hat der Wasserstoffantrieb bezogen auf die transportierten Güter einen geringen Energieverbrauch trotz geringerer Effizienzwerte im Vergleich zur Batterie, da der Batterie-LKW bei hohen Reichweiten ein sehr hohes Gewicht aufweist und damit die mögliche Zuladung sinkt.

Und doch eine Alternative

Alexander Trattner, HyCentA Research, stellt gegenüber dem Energie Report klar: »Es darf keine Schwarzweißmalerei geben, es entscheiden Fahrzeuganwendung und Antrieb. Dann wird klar, dass Wasserstoff als Teil der Elektromobilität nötig sein wird, vor allem für den Schwerverkehr.« Denn Batterien haben auf das Gewicht bezogen eine geringe spezifische Energiedichte.

Die Grazer AVL hat eine Technologie entwickelt, die für die Entwicklung der Wasserstoff-Mobilität wegweisend sein könnte: einen Hybridantrieb aus Brennstoffzelle, kombiniert mit einer erweiterten größeren Elektrobatterie. Serienreife könnte bereits 2023 erreicht sein. Damit werden die beiden großen Nachteile reiner Elektroantriebe vermieden: lange Ladezeiten und schwache Reichweite.

Für das Erreichen der Klimaziele setzt Jürgen Rechberger in Ergänzung zu Elektromobilität zudem auf E-Fuels, die aber aufgrund der schlechten Energiebilanz ein noch umstrittenes Thema sind. Dabei wird CO2-freier flüssiger Kraftstoff hergestellt, äquivalent zu konventionellem Benzin und Diesel. AVL entwickelt dazu eine Demoanlage mit deutlich verbesserter Energieeffizienz.

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