Montag, April 21, 2025

Anergienetze, die mit Niedertemperatur geringe Verteilverluste aufweisen, sollen der Schlüssel für leistbare und ökologische Energieversorgung in Wiener Neubauten werden. Vor allem Wärmepumpen können dadurch besonders effizient sein. Im Stadtentwicklungsgebiet Nordwestbahnhof sollen künftig 11.000 Bewohner und 5.000 Arbeitnehmer durch Heizung, Warmwasser und Klimatisierung aus dem Anergienetz profitieren. Die Stadt Wien wächst derzeit jährlich um 30.000 Einwohner und muss daher für ausreichend Wohnungsmöglichkeiten sorgen.

Neben Neubausiedlungen in der Peripherie werden auch Stadtentwicklungsgebiete im Inneren der Stadt aktiviert. Im innerstädtischen Bereich ist die Nutzung erneuerbarer Energien aufgrund der beengten Platzverhältnisse und der teilweise aufwändigen Genehmigungsprozesse schwieriger bzw. meist mit höheren Kosten verbunden.

Im Rahmen eines 14-monatigen Forschungsprojekts wurde mit Unterstützung des Forschungsprogramms Stadt der Zukunft des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) als Energiekonzept ein Anergienetz (Niedertemperatur -Verteilnetz) mit Erdsondenspeicher entworfen. Das Projektteam, Österreichische Energieagentur, AEE INTEC, Fa. Geohydrotherm und Fa. Ochsner, hat dazu verschiedenste Varianten von solaren Wärme- und Stromtechnologien, Hybridkollektoren bis zur Nutzung von Abwasserwärme am Beispiel Stadtentwicklungsgebiet Nordwestbahnhof im 20.Wiener Gemeindebezirk untersucht.

Die MA 20 und Wien Energie GmbH unterstützten das ehrgeizige Projekt. Ein Anergienetz für das Stadtentwicklungsgebiet Nordwestbahnhof, Wien Ein Anergienetz ist ein kaltes (max. 20 °C) Verteilnetz, welches als Quelle für dezentrale Wasser/Wasser-Wärmepumpen dient. Auf diese Weise werden die Verteilverluste auf einem Minimum gehalten. Das Anergienetz ist mit einem Erdsondenfeld verbunden, welches primär als Speicher dient. Wesentliche Voraussetzung für ein jahrelang stabiles Energiesystem ist eine im Jahresverlauf ausgeglichene Bilanz von Wärmeentzug und Wärmeeinspeisung.

Die natürliche Regeneration würde bei Nutzungen dieser Größe den Entzug nicht ausgleichen, womit das Erdreich immer weiter abkühlen und schließlich als Energiequelle unbrauchbar werden würde. Mangels ausreichender lokaler Abwärme, z.B. aus nahegelegenen Industriebetrieben oder Rechenzentren, muss am Nordwestbahnhof auf Solarwärme aus Hybridkollektoren (PVT), Wärme aus Abwasser sowie thermische Einspeisung des PV-Stroms mittels Luft- Wasser-Wärmepumpen zurückgegriffen werden. Zusätzlich kann jede Art von Abwärme, beispielsweise aus Lebensmittelmärkten, Serverräumen, Büros und passiven Kühlsystemen (Freecooling in Wohnungen) in das Anergienetz eingebracht werden.

Die Projektuntersuchungen zeigten, dass mit den vorhandenen Ressourcen an solarer Nutzfläche und dem Abwasseraufkommen sowie einer moderaten Anzahl an Luft-Wasser-Wärmepumpen das Ziel einer ausgeglichenen Energiebilanz über das Jahr hinweg erreicht werden kann. Um bestmögliche Energieeffizienz zu erreichen, ist das Wärmeabgabesystem als Niedertemperatursystem auszuführen. Eine ökonomische Analyse zeigte, dass ein System mit Hybridkollektoren gegenüber der PV - gestützten Variante bereits wirtschaftlich bestehen kann.

Die Abwärme aus den Hybridkollektoren bildet eine wesentliche Säule bei der Regeneration des Erdreichs, die nur schwer zu ersetzen wäre. Weiters zeigte sich, dass eine Spitzenlastabdeckung mit Erdgas nicht sinnvoll ist– die Varianten, in denen auch die Bedarfsspitzen durch die erneuerbaren Energieträger abgedeckt werden, sind nicht nur ökologischer und technisch machbar, sondern auch wirtschaftlicher. Gegenüber einer reinen Gasversorgung ergeben sich höhere Anfangsinvestitionen und auch höhere Annuitäten, die jedoch mit realistischen Förderbeiträgen kompensiert werden können.

Zudem ist ein höherer  inländischer Wertschöpfungsanteil zu erwarten– neben den Aspekten der höheren Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit. Erste Ergebnisse übertreffen die im Projekt getroffenen Annahmen Insbesondere die Nutzung grundsätzlich verlorener Wärme aus Abwassermengen zeigt noch höhere Potentiale auf als erwartet. Das Konzept des Anergienetzes wurde von Stakeholdern und Entscheidungsträgern aufgrund der Ergebnisse der Studie als echte Alternative erkannt. Als nächsten Schritt für eine Realisierung gilt es jetzt mit möglichen Betreibern der Energie-und Wärmeversorgung von Stadtentwicklungsgebieten wie dem Nordwestbahnhof detailliertere Haustechnikkonzepte zu untersuchen und dazu die Wirtschaftlichkeit genauer unter Betracht zu nehmen.

Eine gute Auslegungsgrundlage für zukünftige Projekte mit Abwasserenergie-Nutzung zeigen Messungen der Abwassermenge und -temperatur, die seit Oktober 2015 beim Nordwestbahnhof durchgeführt werden. Die Versorgung eines neuen Stadtteils dieser Größenordnung (rund 11.000 Einwohner, ca. 800.000 m² Bruttogrundfläche (BGF)) mit lokalen erneuerbaren Energieträgern über ein Anergienetz wäre jedenfalls als Leuchtturmprojekt der Stadt Wien zu betrachten.

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