Dienstag, April 29, 2025

Die Bundeshauptstadt steht, was die demografische Entwicklung, die Infrastruktur und den Wohnbau betrifft, vor grossen Herausforderungen. Bürgermeister Michael Häupl sieht Wien für die Zukunft gut gerüstet und will sich die Stadt »von Schwarzmalern nicht schlechtreden lassen«. Für die kommende Gemeinderatswahl will er vor allem die grosse Gruppe der Nichtwähler mobilisieren.

(+) plus: Wien wächst schneller als erwartet, schon in 14 Jahren könnte die Zwei-Millionen-Grenze überschritten werden. Kann die Stadt ein derartig starkes Wachstum verkraften?

Michael Häupl: Dieses Wachstum ist der beste Beweis für die Attraktivität der Stadt. Und Wien ist darauf vorbereitet. So wurden große Infrastrukturprojekte – wie die großen Kanalsysteme – bereits umgesetzt, Öffis oder Krankenhäuser werden laufend ausgebaut. Wir sind also, was die Infrastruktur anbelangt, bestens gerüstet.

(+) plus: Seit dem Jahr 2004 wurden keine Gemeindewohnungen gebaut, auch der geförderte Wohnbau stagnierte lange. Hat man das Wohnungsproblem unterschätzt?

Häupl: Nein! Aber da muss ich kurz ausholen: Wien ist auch deshalb eine so friedliche Stadt, weil das in seiner Dimension einzigartige System Gemeindebau für soziale Ausgewogenheit sorgt. Und auch aktuell fördert keine andere europäische Großstadt den Wohnbau so wie Wien. 6.000 bis 8.000 Wohnungen entstehen so pro Jahr. Jetzt bauen wir auch wieder klassische Gemeindewohnungen. Damit der soziale Ausgleich erhalten bleibt.

(+) plus: In den Grüngebieten an den Stadträndern entstehen neue Siedlungsgebiete. Wie kann dem Bedürfnis nach Freiräumen trotzdem entsprochen werden?

Häupl: Schauen Sie sich um: Donauinsel, Lainzer Tiergarten, Biosphärenpark Wienerwald. Nirgends sonst ist man aus dem Zentrum einer Millionenstadt in so kurzer Zeit in unberührter Natur. Sprechen Sie mit Expats, die sind immer ganz baff, wenn sie das in Wien erleben.

(+) plus: Welche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sind erforderlich?

Häupl: Wir reden von Milliarden für die Öffis in den nächsten Jahren, speziell für U1, U2 und U5. Wir tun das, damit Wien von echten Verkehrsproblemen verschont bleibt.

(+) plus: Der Schuldenstand in Wien hat sich von 2009 bis 2014 mehr als verdoppelt. Wie können die notwendigen Projekte und Maßnahmen finanziert werden?

Häupl: Wien steht gut da. Der Schuldenstand beträgt rund sechs Prozent der Wiener Wirtschaftsleistung. Andere Städte in Österreich und Europa beneiden uns darum. Wir investieren uns aus dieser Krise hinaus und wollen uns nicht in die nächste hineinsparen!

(+) plus: Die Bevölkerung Wiens ist überdurchschnittlich alt, gleichzeitig wächst das Segment der Unter-14-Jährigen am stärksten. Was bedeutet dieser Anstieg bei Alt und Jung für den Sozial- und Gesundheitsbereich?

Häupl: Wir haben in den letzten fünf Jahren 36 Pflegewohnhäuser auf modernstem Niveau errichtet oder saniert. Wien ist also gerüstet. Gleichzeitig wird der Spitalsbereich auf neue Beine gestellt. Flaggschiff dabei ist das Krankenhaus Nord, das zurzeit errichtet wird. Wien bleibt also seiner Linie »Spitzenmedizin für alle« treu.

(+) plus: Der starke Bevölkerungszuwachs ist auch auf Migration zurückzuführen. Dieses Thema wird im Wahlkampf vor allem von der FPÖ besetzt. Welche Antwort hat die SPÖ darauf?

Häupl: Unsere Antwort ist vielschichtig: Ein Blick ins Telefonbuch oder die Speisekarten zeigt, dass Wien immer schon ein Schmelztiegel war. Heute geht es darum, dass wir alle mit Respekt und Rücksichtnahme diese wundervolle Stadt voranbringen. Und um es klar zu sagen: Ich lasse mir von den Schwarzmalern der FPÖ diese Stadt nicht schlechtreden. Wien ist ein Erfolgsmodell und die Menschen hier wissen das auch.

(+) plus: Die Zahl der Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse ist in Wien seit 2010 um 53 % gestiegen. Warum halten Sie sogenannte »Vorbereitungsklassen« für keine geeignete Lösung?

Häupl: Es gibt den Gratiskindergarten, es gibt ein verpflichtendes Vorschuljahr. Das funktioniert. Allerdings gibt es ein Thema mit jenen Jugendlichen, die während der Volksschulzeit ohne Deutschkenntnisse nach Wien kommen. Vor allem aus Kriegsgebieten. In diesen Fällen setzen wir BegleitlehrerInnen ein, damit sie rasch dem Unterricht folgen können. Ein Separieren der Kinder mit Sprachdefiziten würde unterm Strich mehr Probleme machen.

(+) plus: In Wien gibt es deutlich mehr Arbeitslose als im Österreichschnitt. Wie stehen Sie zu einer Öffnung des Arbeitsmarktes für Asylwerber?

Häupl: Ganz klar: Wer sich legal aufhält, soll auch arbeiten dürfen. Viele der Asylwerber sind hochqualifiziert und wir nutzen dieses Potenzial über Jahre nicht. Das macht keinen Sinn.

(+) plus: Mehr als die Hälfte der Arbeitslosen hat nur einen Pflichtschulabschluss. Reagiert die Arbeitsmarktpolitik zu unflexibel auf Bildungsdefizite?

Häupl: Nicht in Wien. Mit der Wiener Ausbildungsoffensive zum Beispiel haben wir ein funktionierendes System der Hilfe. Und einen allgemeinen Satz dazu: Nur in Wien gibt es mit dem waff eine eigene Institution, die genau das tut. Wien setzt mit aller Kraft auf Aus- und Weiterbildung. Wir bieten an und motivieren, die Menschen müssen diese Chancen auch ergreifen.

(+) plus: Die Wienerinnen und Wiener sehen sich inzwischen gerne als offen und tolerant – allerdings nicht in allen Bereichen. Warum polarisiert das Thema Asyl so stark?

Häupl: Ganz Europa hat dieses Thema zu meistern. Wir tun das für Wien. Aufgabe der Politik ist es, Ängste zu nehmen und nicht Ängste zu schüren. Aber klar ist, dass eine gesamteuropäische Lösung gefunden werden muss, denn ein, zwei oder drei Länder allein können die Last nicht
tragen.

(+) plus: Werden Sie in den Zuwanderer-Communitys verstärkt um Stimmen werben?

Häupl: Wir werben um alle Stimmen. Und den Gemeinderat darf nur wählen, wer Staatsbürger ist.

(+) plus: Wer wird Ihre größte Herausforderung bei der Gemeinderatswahl – die FPÖ, die Grünen oder die Nichtwähler?

Häupl: Eindeutig die Nichtwähler. Also bitte: hingehen und wählen.

(+) plus: In Bezug auf Lebensqualität schneidet Wien in internationalen Rankings traditionell immer hervorragend ab. Wo sehen Sie dennoch künftig Verbesserungs-
bedarf?

Häupl: Bei der Lebensqualität sind wir seit Jahren Nummer eins weltweit. Wir haben ein ambitioniertes »smart city«-Programm entwickelt. Vor allem im Energie- und Mobilitätsbereich wird sich in den nächsten Jahren viel tun. Wer dabei stehen bleibt, verliert. Permanentes Bemühen um Innovation ist unser täglich Brot.

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