Montag, April 21, 2025

0,000000001 Meter – das ist die Größe eines Nanometers. Nano bildet eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts für Sensorik, Elektronik, Chemie und Umwelttechnik. Auch das Bauwesen kann profitieren.

Viele Ideen sind noch Zukunftsmusik, manche aber in greifbarer Nähe. So steht es im Österreichischen Aktionsplan Nanotechnologie. Im Bauwesen besetzt Nanotechnologie tatsächlich noch eine Nischenrolle. »Es ist aber immer die Frage, was man darunter versteht«, relativiert Univ.-Prof. Roman Lackner, Leiter des Arbeitsbereichs Materialtechnologie der Uni Innsbruck. Nanopartikel als Bestandteil sind bereits weit etabliert, z.B. in der Betontechnologie, um die Abstufung der Körner zu verbessern. Für Johannes Fechner, Geschäftsführer von 17&4, punktet Nano vor allem bei Oberflächen. »Auch im Dämmbereich gibt es Potenzial. Bei Fassadenarbeiten wird Nanobeschichtung fast schon standardmäßig angeboten.« Hier sieht sich Baumit als Pionier. »Bereits seit 2006 arbeiten wir mit dem NanoporTop«, hält Geschäftsführer Georg Bursik fest. »Die mikrostrukturelle Oberfläche schafft aus nanokristallinen Zusatzstoffen einen einzigartigen Selbstreinigungseffekt«, beschreibt Forschungsleiter Jürgen Lorenz.

NanoTheorie

Nanoobjekte und -strukturen sind millionenfach kleiner als ein Stecknadelkopf. In dieser Größe weisen sie meist andere physikalische und chemische Eigenschaften auf als größere Teilchen desselben Stoffes. Damit ergeben sich andere Funktionalitäten. Keramik wird in Nanogröße biegsam, andere Stoffe leiten Strom oder ändern ihren Schmelzpunkt, eine hohe Werkstoffdichte ist erzielbar. »Die meisten Angriffe v. a. chemischer Natur erfolgen über den Porenraum. Je kompakter das Material, desto weniger anfällig ist es«, hält Lackner fest. »Für die gezielte Veränderung von Werkstoffen müssen wir ihren Aufbau und ihr Verhalten verstehen, und das im Nano- und Mikrometerbereich.« Speziell in den letzten Jahren sind in diesem Bereich neuartige Geräte entwickelt worden, die neue Einblicke in die Materialeigenschaften und ihre Veränderung durch Nanoobjekte geben. So kann man z.B. mittels der am NanoLab in Innsbruck verfügbaren Nanoindentations-Messung, bei der eine Diamantspitze in die Oberfläche gestochen wird, auf mechanische Eigenschaften wie Festigkeit und Steifigkeit, aber auch auf den Porenraum des Materials schließen. »Bis zu einem gewissen Grad kann damit Langzeit simuliert werden«, wertet André Gazsó, Risikoforscher an der Akademie der Wissenschaften. Ob die Nanotechnologie insgesamt eine nachhaltige Bauweise ermöglicht, kann heute allerdings noch nicht fundiert beantwortet werden. »Hinsichtlich Umwelteinfluss sind ökologische Nachweise noch ausständig«, betont Baumeister Helmut Schöberl von Schöberl & Pöll.

NanoPraxis

Im Bauwesen kommt »nannos«, der Zwerg, v.a. in der Oberflächentechnik zur Anwendung. »Nano ist hervorragend geeignet für Dünnschichttechnologien«, betont Lackner. Nanobeschichtungen bringen ein hohes Maß an Kratzfestigkeit, Selbstreinigung, einen permanenten Schutz vor UV- und Infrarotstrahlung und antimikrobielle Eigenschaften. Am bekanntesten ist die wasserabweisende Wirkung, der sogenannte Lotus-Effekt. Hier berichtet Baumeister Schöberl von sehr guten Erfahrungen. Mit Nano sind auch höhere Wirkungsgrade bei Solarzellen erreichbar. Die Festigkeit von Beton lässt sich bis zum Zehnfachen steigern, Ultrahochleistungsbetone sind besonders tragfähig und korrosionsbeständig. Kohlenstoffröhrchen (Nanotubes) sind enorm flexibel, 20-mal zugfester als Stahl, doppelt so gut wärmeleitend wie Diamant und 10- bis 100-mal besser stromleitend als Kupfer, informiert das Energieinstitut Vorarlberg. Bei thermoaktiven Fenstern werden Wärmetransport und die Lichtlenkung in den Raum erhöht und der Kunstlichteinsatz reduziert. Auf Kieselsäure basierende Aerogele und nanoporöse Polymerschäume ermöglichen hoch effiziente Wärmedämmschichten bei deutlich verminderter Stärke.

NanoResearch

Der Innenbereich ist laut Roman Lackner mit Vorsicht zu »nanosieren«. »Die Medizin ist sich nicht einig, ob der Kontakt mit Nanopartikeln zu gesundheitlichen Problemen führen kann.« Langzeiteffekte in den Körperzellen sind laut Fechner noch schwer abschätzbar. Laut AUVA sind Nanopartikel potenziell zelltoxisch inflammatorisch, reproduktionstoxisch, gentoxisch und kanzerogen. Für Lackner tritt das mögliche Gefahrenpotenzial erst bei direktem Kontakt auf, wenn das Nanomaterial in die Baustoffe eingebracht wird. »Wenn Nanopartikel erst chemisch und physikalisch gebunden sind, können sie nicht mehr so leicht entweichen.« Nach einiger Zeit tritt das Problem Entsorgung auf. Hier bestehen laut André Gazsó noch Wissenslücken. Univ.-Prof. Marion Huber-Humer von der Universität für Bodenkultur berichtet aus der Forschungspraxis: »Derzeit arbeiten wir an Erhebungen, wie lange Nano in Fassadenanstrichen enthalten bleibt. Bei Innenfarben versuchen wir, erste Stoffflüsse darzustellen. Wir stehen erst am Anfang.« Geklärt werden muss auch der Umwelteinfluss von Nanopartikeln, wenn diese auf Deponien enden. »Wir wissen noch wenig über die Wirkung v.a. von synthetisierten Nanopartikeln, die es in dieser Form in der Natur nicht gibt.«

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