Montag, April 07, 2025

Mineralische Rohstoffe bilden die Basis des täglichen Lebens. Sie werden für das Wasserglas ebenso benötigt wie für Handy, Zahnpasta und den Straßentunnel. 90 Prozent entfallen auf den Bau. Für optimierte Kreislaufwirtschaft gilt: sortenreine Trennung.


Österreich weist einen jährlichen Ressourceneinsatz von 167 Millionen Tonnen auf, rund drei Viertel davon sind mineralische Rohstoffe. Bis 2030 wird mit einer Verdopplung gerechnet. Der Bedarf an mineralischen Rohstoffen nimmt weltweit zu, da vor allem die Transformation der Energiesysteme, die Mobilitätswende und die Dekarbonisierung der Industrie eng mit mineralischen Rohstoffen verbunden sind. Durch den Green Deal rechnen einige Experten mit Versorgungsengpässen. Daher brauche es raschere Genehmigungsprozesse, um ökologische Technologien umsetzen zu können und ausreichend erneuerbare Energien zu wettbewerbsfähigen Preisen sowie die nötigen elektrischen Leitungen für die erforderlichen zusätzlichen 30 bis 40 TWh.

Kreislaufwirtschaft ist eine der drei Säulen des Masterplans Rohstoffe 2030, den das vormalige Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus ausgearbeitet hat. 

Derzeit dauern Genehmigungsverfahren bis zu 17 Jahre. Ebenso müssten Vorschriften praktikabler werden, man brauche Technologien, die verfügbar und wirtschaftlich umsetzbar sind. Helmut Rechberger, Vorstand des Instituts für Wassergüte und Ressourcenmanagement an der TU Wien, sieht in verpflichtenden Mindesteinsatzquoten von Recyclingbaustoffen Chancen für der Kreislaufwirtschaft, wie die Schweiz bei einigen Bauprojekten der öffentlichen Hand bereits zeigt. In Österreich fehlen diese Quoten im großen Stil noch. Für Michael Tost, Professor an der Montanuniversität Leoben, ist Kreislaufwirtschaft entscheidend, um die Importabhängigkeit zu reduzieren. »Bei den Baurohstoffen sind wir unabhängig, 90 Prozent der Metalle importieren wir allerdings.«

Michael Tost: »Kreislaufwirtschaft prägt ab Herbst 2022 die beiden neuen Studiengänge ›Responsible Consumption and Production‹ sowie ›Circular Engineering‹ an der Montanuniversität Leoben.«

Kies, Metalle & Co

Noch ist der Anteil der Kreislaufwirtschaft bei mineralischen Rohstoffen im Baubereich gering, steigt aber langsam. Ein Positivbeispiel ist Wopfinger mit dem Ökobeton. Beton-, Stein- und Ziegelbruch sowie andere mineralische Bestandteile werden aufbereitet und wiederverwendet. Je weniger Reste an Störstoffen wie Holz und Kunststoff im Material enthalten sind, umso höher ist die Qualität des Materials. Etwa 98 Prozent des Ausgangsmaterials können wiederverwendet werden.

Das Wopfinger Verfüllmaterial WVM wird ebenfalls aus gebrochenen, rezyklierten Hochbaurestmassen hergestellt. Deponiert werden mineralische Abfälle laut Cyrill Grengg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften an der TU Graz aus Kostengründen und weil die Qualität für eine Neunutzung erst gesichert werden muss. Hier punkten Alternativzemente. Die TU Graz startet derzeit eine große Initiative zu Kreislaufwirtschaft und forscht an Zement, der bis zu 90 Prozent aus mineralischen Abfällen und Sekundärrohstoffen besteht. Diese reststoffbasierten Geopolymer-Baustoffe lassen sich wie herkömmliche Zemente verarbeiten, weisen ähnlich wie Hochleistungsbeton eine Druckfestigkeit von bis zu 100 Megapascal auf sowie weitere positive Materialeigenschaften wie hohe Frühfestigkeit und hohe Säurebeständigkeit.

Cyrill Grengg, TU Graz: »Der Rohstoffbedarf im Bauwesen wird sich in den nächsten Jahren weiter erhöhen. In der Zementproduktion wird bis 2050 ein zwölf bis 25-prozentiger Anstieg prognostiziert. Damit wird Recycling verstärkt zum Thema.« 

»Wir arbeiten mit der Bauindustrie zusammen, die dem sehr positiv gegenübersteht. Der Bedarf ist da.« Positiv auf die Kreislaufwirtschaft mineralischer Rohstoffe wirken sich die steigenden Primärrohstoffpreise aus. »Damit kann man mehr Aufwand ins Recycling stecken und bleibt wettbewerbsfähig«, betont Rechberger. Es werde in den nächsten Jahren mehr an Baurestmassen geben, da der Gebäudepark in Österreich ins Alter kommt und damit gewinnen Recyclingbaustoffe am Markt an Bedeutung. Digitalisierung kann der Kreislaufwirtschaft kräftigen Schwung verleihen. Cyrill Grengg verweist dazu etwa auf den Einsatz intelligenter Sensoren. »Es ist noch viel Innovation nötig, aber Wirtschaft und Forschung sind offen für Neuerungen.«

Zukunft denken

Der Bausektor boomt weltweit. Meist wird billig, schnell und hoch gebaut, um die Rendite zu maximieren. Hier ist laut Helmut Rechberger rasches Umdenken gefordert. »Ein Neubau wird je nach Größe in Monaten, wenn nicht sogar Jahren errichtet. Beim Rückbau sprechen wir bei einem kleinen Haus von Tagen oder Wochen.« Es müsse ähnlich viel Zeit und Aufwand in den Rück- wie in den Neubau investiert werden, nur so könnten einzelne Stoffe selektiv herausgenommen und die notwendigen Qualitäten erreicht werden. »Das fehlt in unserem Bewusstsein noch.«

Helmut Rechberger, TU Wien: »Die Kreislaufwirtschaft ist ein dynamischer Prozess. Im Augenblick haben wir steigende Rohstoffpreise, was für Recycling günstig ist. Es kann mehr Aufwand in Recyclingprozesse gesteckt werden und man bleibt trotzdem oder gerade deswegen ökonomisch und wettbewerbsfähig. Wichtig für den Rückbau ist Know-how über die Lage der verschiedenen Materialien. Dabei sind Digitalisierung und BIM entscheidend.«

Bauwerke müssten auch einfacher gestaltet werden. Durch die zunehmende Komplexität der Bauwerke wird Baustoffrecycling immer schwieriger – immer mehr verschiedene Materialien kommen zusammen, Verbundbaustoffe sind verklebt und nur mit hohem Aufwand zu trennen. Wenn es immer komplizierter wird, ist der Rückbau am Ende der Lebensdauer des Bauwerks aufwendig und unattraktiv, da man viel Energie und Ressourcen investieren muss, um saubere Baumaterialien zu erhalten. Daher plädiert Rechberger für Bauwerke, die von den Materialien her einfach zusammengesetzt werden, ganz nach dem Motto »Lieber die Mauer etwas dicker, aber dafür in der materiellen Zusammensetzung einfacher«.

Er verweist auf das Forschungsprojekt BIM-Modellierung an seinem Institut. Ziel von BIMstocks ist die Entwicklung einer Methodik für die durchgängige digitale Erfassung der materiellen Zusammensetzung des Baubestandes. Damit sei beim Rückbau sofort klar, welche Mengen z. B. an Eisen-, Aluminium- und Kupferrohstoff oder Holz wo anfallen. Dieses Modell kann laut Rechberger bei Einzelbauwerken wie auch bei Siedlungen und Städten angewandt werden.

Sortenrein trennen

Schlüssel zu einer hohen Wiederverwertungsquote ist laut Petra Gradischnig, Geschäftsführerin Forum mineralische Rohstoffe, die sortenreine Trennung. Beton lasse sich beinahe zu 100 Prozent wiederverwerten. Sobald der Beton vom Stahl getrennt ist, kann er zu Betongranulat gebrochen werden, der im Straßenbau ungebunden oder als Betonzuschlagsstoff eingesetzt wird. Auch Asphalt kann nach dem Aufbruch zu 100 Prozent wieder eingebaut werden. Dach- und Mauerziegel sowie keramische Pflastersteine lassen sich ebenso gut recyclieren. Der auftretende Schleifstaub und Ziegelbruch kann wieder im eigenen Produktionsprozess oder für die Herstellung von Zementklinkern verwendet werden. Auch Gipsplatten aus der Produktion und Verschnitt lassen sich zu neuen Gipsprodukten verarbeiten.

Petra Gradischnig, Geschäftsführerin Forum mineralische Rohstoffe: »Grundsätzlich lassen sich alle mineralischen Baustoffe sehr gut rezyklieren. Die sortenreine Trennung ist dabei der Schlüssel zu einer hohen Wiederverwertungsquote.«

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