Sonntag, April 20, 2025
„Geistesblitze zu übersehen, können wir uns nicht leisten“
Andreas Hametner, Leiter des Co-Innovation Labs von Dynatrace; Veronika Leibetseder, Director R&D Labs Operations bei Dynatrace; Alois Reitbauer, Chief Technology Strategist bei Dynatrace; Christopher Lindinger, Vizerektor der Johannes Kepler Universität Linz; Rick Rabiser, Leiter Cyber-Physical Systems Lab am Linz Institute of Technology (LIT). Foto: Ines Thomsen

Der Softwareentwickler Dynatrace und JKU machen Österreich zum Digitalisierungs-Hotspot.

Vollautomatisiert, selbstheilend und selbstschützend – so wird Software in Zukunft betrieben werden. Mit dieser Vision gründen Dynatrace und die Johannes Kepler Universität (JKU) ein gemeinsames Co-Innovation Forschungslabor am Linz Institute of Technology (LIT). Die Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft wird die anwendungsorientierte Grundlagenforschung im Bereich Software Intelligence vorantreiben. Österreich wird damit zum Hotspot für Digitalisierungsforschung. Lässt man die rasante Entwicklung von Dynatrace Revue passieren – 2005 Gründung in Linz, 2019 Börsengang in New York, rund 2.800 MitarbeiterInnen, 545 Mio. Dollar Jahresumsatz – übersieht man allzu leicht, worauf dieser Erfolg basiert: Akribische Entwicklungsarbeit, um die Position als Weltmarktführer auszubauen. Über 207 Patente hält Dynatrace. Damit diese Dynamik auch in den nächsten Jahren gesichert bleibt, hat das Unternehmen vor einem Jahr mit Dynatrace Research eine eigene – vom operativen Geschäft getrennte – Forschungseinheit gegründet. Jetzt forciert deren Leiter Alois Reitbauer den Austausch mit der akademischen Forschung. Das Co-Innovation Lab am LIT versteht sich als Brücke zwischen Forschung und Wirtschaft und agiert als Radarsystem für Geistesblitze. Vertieft wird die Kooperation durch universitäre Lehrtätigkeiten von Dynatrace-Experten und zwei Post-Doc-Stellen.

„Wir haben ein Team von rund 1.000 Entwicklern, die dafür sorgen, dass unser Produkt das beste am Markt ist und diesen Vorsprung kontinuierlich ausbaut“, erklärt Alois Reitbauer. Weil sich die Innovationszyklen in der IT rasant verkürzt haben, müsse man neue Wege beschreiten, um sich nicht nur kurzfristig einen technologischen Vorsprung sichern zu können. Darum sucht Dynatrace nunmehr engen persönlichen Kontakt zur akademischen Elite, die gänzlich ohne ökonomische Zwänge und Termindruck Forschungsprojekte verfolgt. „Wir können es uns nicht leisten, Geistesblitze zu übersehen, die möglicherweise einen Innovationsschub oder gar eine Disruption auslösen“, sagt Reitbauer. Für den Job des Labor-Leiters an der JKU hat er deshalb einen Digitalisierungsexperten mit Campus-Erfahrung gesucht – und mit Andreas Hametner gefunden. Der gebürtige Mühlviertler aus Naarn im Machlande hat das Diplomstudium Informatik an der JKU abgeschlossen und kehrt nun an seine frühere Ausbildungsstätte zurück.

Begegnungsqualität ist für JKU-Vizerektor Christopher Lindinger eine zentrale Aufgabe des Co-Innovation Labs. „Das Co-Innovation Lab ist ein exzellentes Role Model für Forschungskooperationen zwischen Universitäten und Unternehmen wie Dynatrace. Als Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft verkörpert das LIT Open Innovation Center der JKU einen idealen Ort für diese Begegnung, die wesentliche Impulse für die Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts setzt. Die Forschungsexzellenz der JKU im Bereich von IT-Security, Industrie 4.0, Artificial Intelligence oder Big Data stellt eine große Bereicherung für anwendungsorientierte Produktentwicklung dar“, so JKU Vizerektor Christopher Lindinger. Dafür sei das Co-Innovation Lab am LIT der perfekte Ort, betont Veronika Leibetseder, Director R&D Labs Operations bei Dynatrace. „Unser Lab am Campus ist als Open Space gestaltet, der Offenheit und Transparenz signalisiert.“ Das ermögliche es Studentinnen und Studenten, dort jederzeit einen Platz zum Arbeiten und Experten zu finden, mit denen sie sich austauschen können. „Wir wollen zeigen, wer wir sind und welche Kultur uns prägt. Deshalb fungiert das Lab als eine Art Dynatrace-Botschaft am Campus.“

Rückkehr zu den Wurzeln
Seit Jahren ist Dynatrace im internationalen Internet-Standardisierungsgremium W3C tätig und als einziges österreichisches Unternehmen an der Cloud Native Computing Foundation (CNCF) beteiligt. Ein Credo der CNCF ist, die Ergebnisse ihrer Arbeiten dem Markt offen und frei bereitzustellen. Die Kooperation mit der JKU ist für Dynatrace nun eine Rückkehr zu den Wurzeln. Immerhin wurde Dynatrace 2005 von drei JKU-Absolventen gegründet. Im neu errichteten und 2019 bezogenen Engineering Headquarter in Linz schlägt das technologische Herz des Weltmarktführers bei Software Intelligence. „Die Grundlagenforschung an der JKU ist für uns eine Art Radarsystem für kommende Entwicklungen.“, betont Reitbauer. Die von ihm geleitete, 7-köpfige Abteilung Dynatrace Research wird dafür am JKU Campus Quartier beziehen und soll binnen eines Jahres zu mehr als doppelter Mannschaftstärke anwachsen. Bei den Forschungsschwerpunkten Distributed Data Systems, Realtime Analytics, Data Science und Cloud Native Security brauche es nun auch verstärkt die Kooperation mit akademischen Forschern. „Das ist alleine deshalb notwendig, weil wir wissen, dass schon in wenigen Jahren mit den aktuellen Instrumenten und Methoden die exponentiell anwachsenden Datenmengen nicht mehr zu beherrschen sein werden“, skizziert Reitbauer jenes Szenario, das Forschung und Wirtschaft voraussehen.

Unvorstellbare Datenmengen beherrschbar machen
Es ist eine Datenexplosion, mit der Reitbauer rechnet.  Während früher eine IT-Architektur mit 100 Servern als groß galt, ist jetzt eine Umgebung mit hunderttausenden Servern durchaus üblich. Reitbauer rechnet auch damit, dass sich die Datenmengen binnen weniger Jahre um den Faktor 100.000 oder gar um eine Million erhöhen könnten. „Wir sollten darauf vorbereitet sein, dass wir Speicherkapazitäten bald nicht mehr in Tera-, sondern in Peta- oder sogar Exabyte angeben.“ Beobachten könne man diese rasante Entwicklung tagtäglich am eigenen Smartphone. Social Media-Dienste oder Onlinehändler spielen ihre Webpages in millionenfach individualisierten Versionen aus. „Steige ich auf meinem Account ein, werden mir der ganz persönliche Browserverlauf, meine Favoriten, angesehene und gekaufte Artikel, zuletzt angeklickte Links und Produkte oder auch maßgeschneiderte Empfehlungen und Vorlieben von Freunden und Bekannten angezeigt“, nennt Reitbauer einen Grund für das ungebremste Datenwachstum.

Ausufernde Komplexität als zentrales Forschungsthema
„Der digitale Komfort, den wir beim Einkaufen, Bezahlen, Reisen, Parken oder bei Bankgeschäften so schätzen, ist eine Einbahnstraße, deren Frequenz in der Covid-Krise weiter erhöht wurde“, argumentiert Reitbauer. Im Co-Innovation Lab am Linz Institute of Technology (LIT) wird die Spirale aus Komplexität und wachsenden Datenmengen zum zentralen Forschungsthema. Da man nicht an der kurz- und mittelfristigen Produktentwicklung beteiligt sei, könne man mit der akademischen Forschungslandschaft intensiv und ohne wirtschaftlichen Druck zusammenarbeiten, argumentiert Dynatrace Labor-Leiter Andreas Hametner. „Wir können hier am Co-Innovation Lab spannende Forschungsansätze verfolgen und unterstützen, deren Potenzial sich noch nicht abschätzen lässt.“

Univ.-Prof. Rick Rabiser, Leiter des LIT Cyber-Physical Systems Lab und Hametners universitäres Pendant am Co-Innovation Lab, schätzt „die durch das Co-Innovation Lab geschaffene Möglichkeit eine neue Art transdisziplinärer, wissenschaftlicher Forschung zwischen Industrie und Universität zu etablieren. Beide Partner, JKU und Dynatrace, bringen dabei unterschiedliche Stärken in die Kooperation ein. Universitäre Forschung, motiviert von Herausforderungen aus der Praxis, ist vor allem auch auf dem Gebiet des Software Engineering an der JKU bereits seit vielen Jahren ein Erfolgsmodell. Das Co-Innovation Lab ermöglicht es der JKU diese Stärken weiter auszubauen und Forschungsmethoden anhand realer Daten zu evaluieren. Dynatrace profitiert von der engeren Anbindung an die akademische Forschungslandschaft, welche sowohl wissenschaftliche Grundlagen schaffen als auch Impulsgeber für innovative Lösungen sein kann."

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