Sonntag, Mai 04, 2025
Testlauf für die Stadt der Zukunft

Die »aspern Seestadt« ist eines der größten Smart-­City-Projekte weltweit. Das Gebiet wird in Etappen auf Basis des Masterplans des schwedischen Architekten Johannes Tovatt entwickelt – das Investitionsvolumen liegt bei rund fünf Milliarden Euro. Wesentlich dabei sind zahlreiche Forschungsarbeiten.

Tausende Wohneinheiten und Arbeitsplätze bunt gemischt – in Donaustadt, einem bislang typischen Wiener Wohnbezirk, wird derzeit eines der größten und modernsten Stadtentwicklungsprojekte Europas durchgezogen. Derzeit sind rund 2.500 Menschen auf dem Gebiet der »aspern Seestadt« beschäftigt. Die Wohnbevölkerung beträgt zirka das Dreifache. Der Plan: Im finalen Ausbau bis 2030 sollen deutlich mehr als 20.000 Menschen in der Seestadt leben, mit einem Potenzial von bis zu 20.000 Arbeitsplätzen.

Jüngsten Zuwachs konnte das Testfeld für die Stadt der Zukunft mit einer Erweiterung auf Forschungsseite im September verbuchen. Mit der Eröffnung des »tz2«, einem neuen Gebäudeteil des Technologiezentrums der Wirtschaftsagentur Wien, wird das Anschauungsmaterial der Aspern Smart City Research (ASCR) um eine Gewerbeimmobilie erweitert. Im Jahr 2013 gemeinsam von Siemens, Wien Energie, Wiener Netze, Wirtschaftsagentur Wien und der Seestädter Entwicklungsgesellschaft Wien 3420 AG ins Leben gerufen, forscht die ASCR mit Echtdaten aus dem Stadtentwicklungsgebiet.»Zu einem umfassenden intelligenten Stromnetz, einem Wohngebäude, einem Studierendenheim sowie einem Bildungscampus kommt nun mit dem tz2 ein Gewerbegebäude hinzu«, freut sich ASCR-Geschäftsführer Robert Grüneis.

Digitaler Gebäudezwilling

Schon in der Planungs- und Errichtungsphase des Bauteils wurde ein digitaler Gebäudezwilling mittels »Building Information Modeling (BIM)« erstellt, wodurch nachhaltige Bauprozesse und vor allem die spätere kosteneffiziente Nutzung erreicht werden sollen. Der von Siemens weiterentwickelte und vorangetriebene digitale Planungs- und Ausführungsprozess gilt als richtungsweisend. Die ASCR-ForscherInnen erwarten dadurch eine deutliche Senkung die Gesamtkosten eines Gebäudezyklus um rund ein Drittel. Dies gilt es nun in der Praxis zu erforschen und zu beweisen.

Das Energiekonzept des tz2, aufbauend auch auf dem Know-how und Ressourcen des Projektpartners Wien Energie, wurde gemeinsam mit den Planern der Wirtschaftsagentur Wien erarbeitet und umgesetzt. Herzstücke sind die thermische Grundwassernutzung sowie eine komplexe Photovoltaikanlage, die auch in die Fassade integrierte vertikale Module umfasst und deren erzeugte Energie den Mietern zugeteilt wird. Denn der Einsatz von dezentralen erneuerbaren Energien ist einer der wichtigsten Bausteine für nachhaltige Stromversorgung auch im urbanen Raum.

Viele Anwendungsfälle

Gleich 17 »Use Cases« für das Funktionieren einer Smart City haben die Stadt Wien und ihr zentraler Technologiepartner Siemens zur Erforschung und Erprobung festgelegt. So soll etwa ein einheitlicher »Digitalisierungsplatz« entwickelt werden, der notwendige Sicherheitsanforderungen und die Bedürfnisse an eine effiziente Installation und Wartung von smarten Sensoren und Aktoren erfüllen kann. Mit einer durchgehenden Digitalisierung des Stromnetzes will das Konsortium Synergien aus Netz-und Fernwirktechnik, Metering und IKT-Technologien nutzbar machen – letztlich auch in Form von Anwendungen (Apps). Die Datenbestände daraus könnten dann auch Externen und vor allem den anderen Unternehmen der Stadt Wien zur Nutzung zu Verfügung gestellt werden. Dies wäre – bei Einhaltung datenschutzrechtlicher Anforderungen – ein mächtiger Hebel im Sinne des Smart-City-Gedankens.

Bild oben: Gerhard Hirczi, Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Wien, hat im September dem Technologiezentrum in Aspern einen weiteren Bauteil, das »tz2«, hinzugefügt.

Auf Energieseite werden weiters die Eigenerzeugung durch Photovotaik am Dach für Strom oder durch Wärmepumpen auch »Anergienetze« zur Versorgung angeschlossener Gebäude erprobt. Diese werden bei niedrigeren Temperaturen als Nahwärme- respektive Kältenetze betrieben. Um den saisonalen Bedarf zu decken, gilt es auch, die unterschiedlichen erneuerbaren Quellen mit Speichern zu kombinieren – bis zur Nutzung von Abwärme aus Abwasser. Die intelligente Kopplung von Infrastruktur ist ein wesentlicher Schlüssel auch für die Erreichung der Klimaziele Österreichs, heißt es.

Weitere Use Cases betreffen optimierte Lichtkonzepte für die BewohnerInnen, das Einbeziehen von unterschiedlichsten Daten für Wohlbefinden und Gesundheit, aber auch eine künftige Flexibilitätsvermarktung des eigenerzeugten  Stroms – wenn etwa Gebäude mit Gebäuden »sprechen« lernen. Auch vorausschauende Wartungszyklen dank eines detaillierten Datenmaterials der  Sensoren, moderne Mobilitätskonzepte und natürlich Elektromobilität sind die Gegenstände der Forschungsarbeit.

Robert Grüneis und seinem Team sollte in den kommenden Jahren jedenfalls nicht fad werden. »Wir erhoffen uns spannende neue Erkenntnisse sowie Antworten auf unsere Forschungsfragen«, fasst der ASCR-­Geschäftsführer zusammen.

Fakten zur »aspern Seestadt«

- Eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas.
- 240 Hektar Gesamtfläche – das entspricht etwa der Größe des ­ersten Wiener Gemeindebezirks.
- Neubauten mit einer geplanten Bruttogrundfläche von mehr als 2,6 Millionen m².
- Gesamtinvestitionsvolumen von rund fünf Milliarden Euro.
- Neuer, multifunktionaler Stadtteil mit mehr als 11.000 Wohneinheiten und Flächen für Büros, Produktions- und Dienstleistungsunternehmen, Wissenschaft, Forschung und Bildung.

Forschungsgebiet

Die Forschungsgesellschaft Aspern Smart City Research Gmbh & Co KG (ASCR) wurde von Siemens AG Österreich (44,1 %), Wien Energie GmbH (29,95 %), Wiener Netze GmbH (20 %) und der Stadt Wien (Wirtschaftsagentur Wien 4,66 %; Wien 3420 Holding GmbH, 1,29 %) ins Leben gerufen. Ziel der ASCR ist es, Lösungen für die Energiezukunft im urbanen Raum zu entwickeln und Energiesysteme effizienter und klimafreundlicher zu machen. Ein Kooperationsmodell in dieser Größenordnung ist bis dato einmalig. Über 100 Personen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Bereichen sind an dem  Forschungsvorhaben direkt beteiligt. 2019 startete die zweite Projektphase »ASCR 2023«. Im Zentrum der Forschungstätigkeit stehen insgesamt 17 Anwendungsfälle – sogenannte Use Cases. Das Spektrum reicht dabei von der weiteren intelligenten Vernetzung von Gebäuden, Netzen und Märkten, über neue Ansätze der Gebäudeheizung und -kühlung bis zur möglichen Nutzung von E-Autos als künftige Energiespeicher.

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