Montag, April 21, 2025

Öl hat die Vereinigten Arabischen Emirate reich gemacht – die Zukunft aber soll nachhaltig sein. 

Von Rainer Sigl

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind reich. Zehn Prozent der globalen Ölreserven schlummern im Boden eines Landes, das gerade einmal so groß ist wie Österreich. Der Wüstenstaat mit der Hauptstadt Abu Dhabi und der Wirtschaftsmetropole Dubai ist eines der reichsten Länder Welt. Wer nun aber meint, dass die Scheichs den Status quo der weltweiten Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen als gesichert ansehen, irrt gewaltig. Im Gegenteil: Die VAE blicken mit Gelassenheit und Aufgeschlossenheit der Zeit nach dem Ölkater entgegen. Masdar City heißt das Projekt, das seit 2008 in die Wirklichkeit umgesetzt wird. Die »CO2-neutrale Wissenschaftsstadt« soll vollständig unabhängig von fossilen Energieträgern sein und nur durch erneuerbare Energien versorgt werden. Die Wasserversorgung, besonders essentiell in Wüstenstaaten, soll mit solarbetriebenen Entsalzungsanlagen gesichert werden, konsequentes Recycling soll die Stadt beinahe zur Gänze abfallfrei werden lassen. Ein besserer Ort für den zukünftigen Hauptsitz der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA) ist schwer vorstellbar.

Mammutprojekt

Stararchitekt Norman Foster ist ebenso in das Mammutprojekt involviert wie WWF, Greenpeace, die US-Regierung und das weltberühmte MIT, das in Masdar City bereits ein Institut eingerichtet hat – im Moment sind diese Forscher und Studenten die ersten Bewohner eines Stadtprojekts, das zukünftig 40.000 Einwohnern Platz und 90.000 Menschen Arbeit geben soll. Auch Siemens ist bereits in Masdar City vertreten – das besonders energieeffiziente Hauptquartier in der Region ist als Arbeitsplatz für 800 Mitarbeiter geplant. 20 Milliarden Dollar investieren die Emirate in dieses ambitionierte Ökoprojekt mit Vorzeigecharakter, Geld, das dank anhaltenden Ölhungers reichlich vorhanden ist. Wer meint, dass diese Begeisterung für ökologische Visionen dem Zeitgeist geschuldet ist, irrt. Schon vor Jahrzehnten hat einer der Gründer der VAE, Scheich Zayed bin Sultan Al Nahyan, vier Leitlinien für die nachhaltige Entwicklung der Emirate vorgegeben, wie Fred Moavenzadeh, Leiter der MITZweigstelle Masdar Institute of Technology, unterstreicht: Alternativen zu Öl und Gas, ein Ernstnehmen des Klimawandels, ein Fokus auf Ausbildung der Jugend und die Gleichberechtigung der Frauen waren dem 2004 verstorbenen großen Staatsmann besondere Anliegen. In der Ökostadt sollen Technik, Wirtschaft und Lebensart besonders gut zusammenwirken. Auf klassische Kfz mit fossilen Brennstoffen wird man zugunsten öffentlicher Verkehrsmittel ganz verzichten, fahrerlose Automatikfahrzeuge und fahrrad- und fußgängerfreundliche Stadtplanung sollen Autos de facto verschwinden lassen. Besonders unternehmerfreundliche Steuer- und Bankenregelungen sollen interessierte Konzerne ebenso anziehen wie internationale Forschungseinrichtungen, die hier zusätzlich ein perfektes Umfeld für ihre Forschung zu einer nachhaltigen Technologiezukunft vorfinden. Einige Schönheitsfehler trüben jedoch die Freude an diesem ambitionierten Projekt, wie Kritiker zunehmend aufzeigen. Die Rechnung mit der besonderen CO2-Neutralität etwa klingt nur im Vergleich mit dem Verbrauch anderer arabischer Großstädte beeindruckend. Da die Vereinigten Arabischen Emirate das Land mit den weltweit zweithöchsten Pro-Kopf-Emissionen sind, bleibt der in Masdar City angepeilte Verbrauch von nur einem Viertel dieser Ausgangswerte immer noch recht hoch. Auch dass futuristische Milliardenprojekte wie Masdar City die ultimativen »gated communities« darstellten, also priviliegierte, für die Massen verschlossene Inseln der Seligen, wird kritisiert. Der ursprüngliche Plan, bereits 2016 die Arbeiten abzuschließen, konnte wegen der globalen Wirtschaftskrise nicht in die Tat umgesetzt werden. Bis 2025 haben die Erbauer noch Zeit, ihre Kritiker vom Gegenteil und von ihrer Vision zu überzeugen. Dann soll die »Stadt der Zukunft« Masdar City endgültig Gestalt angenommen haben - und vielleicht Vorbildcharakter für viele weitere umweltbewusste Städte einnehmen.

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