Dienstag, April 22, 2025

In den eigenen vier Wänden auch an heißen Tagen einen kühlen Kopf zu behalten, fällt oft schwer. Mit einigen Vorkehrungen ist Überhitzung aber kein Thema.

Von Karin Legat

 

Nach den schneereichen, kalten Wintertagen wird der warme Sommer bereits von nahezu jedem herbeigesehnt. Es kann dabei aber schnell heiß werden – zu heiß. Ein Sprung ins Schwimmbecken, eine Kajakfahrt oder schlicht der Fußweg unter Bäumen bieten im Freien rasch Abhilfe. Aber auch Indoor muss keiner unter der Hitze leiden. Schon einfache Maßnahmen ermöglichen eine verbesserte Raumkonditionierung.

Kühlung im Wohnbau

»Durch mein Haus im Waldviertel kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass Kühlung durch Nachtlüftung ein wesentlicher Aspekt für angenehme Raumtemperaturen ist«, erzählt Frank Huber, Geschäftsführer von Zement+Beton. In der Stadt steht diese Möglichkeit nur eingeschränkt zur Verfügung. »Wenn aber Themen wie optimale Gebäudeausrichtung, Zusammenspiel aus Bauphysik und Energietechnik sowie konstruktive Beschattung in der Planung berücksichtigt werden, kann in den meisten Fällen in unserer Klimazone ohnehin ganz auf Kühlung verzichtet werden«, betont Professor Rainer Stempkowski, Leiter des Studiums Life Cycle Management-Bau an der Donau-Universität Krems. Das sieht auch die OIB Richtlinie 6 so, die für alle Neubauten und Gebäude mit größerer Renovierung gilt. Wohnbauten sind so zu planen, dass die Sommertauglichkeit durch passive Maßnahmen gewährleistet ist. Mit passiv werden dabei alle Maßnahmen rund um Sonnenschutz, Speichermasse und Lüftung zusammengefasst. »Die meisten Bundesländer verlangen inzwischen einen entsprechenden Nachweis im Bauakt«, weiß Klimaingenieur Peter Holzer, Geschäftsführer von Ingenieurbüro P. Jung, Wien. Temperaturen unter 27° C tagsüber und 25° C in der Nacht sind laut Holzer unter Normklimabedingungen ohne technische Kälte einzuhalten.

In der Planungsphase

Befindet sich das Gebäude noch in Planung, sind Hitzebarrieren mühelos umzusetzen. Es gilt, den Anteil an Glasflächen angemessen zu dimensionieren. Bei der Qualität der Verglasung muss der Wärmedurchgangskoeffizient berücksichtigt werden. Sein Wert sollte bei maximal 1,1 W/m²K liegen. Der Gesamtenergiedurchlassgrad ist v.a. bei großen Glasflächen niedrig zu wählen. Hier empfiehlt sich ein g-Wert von 0,5 bis 0,4. Vorsicht ist bei Dachverglasungen geboten, denn diese können zu einer deutlich höheren Einstrahlung im Sommer führen. Entscheidend ist auch die Orientierung des Baukörpers. Bei Südfassaden ist der Wärmeeintrag im Sommer meist geringer als bei Ost- und Westfassaden. Gute Wärmedämmung wirkt auch gegen sommerliche Überhitzung. Die Speichermasse eines Gebäudes hat ebenfalls eine ausgleichende Wirkung auf die Innenraumtemperatur. Architektonische Abhilfe können weit vorgezogene Dächer in Südlage oder Balkone schaffen. Auch hinterlüftete Fassaden sorgen für eine Reduktion der Raumtemperaturen, ebenso wie Dachberieselung und Dachteiche.

In der Verwendungsphase

Ist das Gebäude bereits in Verwendung, gilt es in erster Linie, die Nutzung der Räume zu bedenken. Schwerpunktmäßig sollte auf stromsparende Geräte und effiziente Beleuchtung mit geringer Abwärme geachtet werden sowie u.a. auf die Nutzung von Schattenpflanzen. Verschattungselementen kommt generell eine zentrale Rolle zu. »Besonnte Glasflächen abschatten und Fenster wenn möglich geschlossen halten – das bedeutet eine um bis zu 10° C geringere Raumtemperatur gegenüber draußen«, betont Johann Gerstmann, Sprecher des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik. Heute gibt es bereits motorbetriebene Sonnenschutzanlagen mit autarker Energieversorgung mittels PV. Der Faktor Lüftung muss besonders bedacht werden. »Es hilft nicht, wenn die Fenster tagsüber offen und nachts geschlossen sind. Gelüftet werden muss in der Nacht. Querlüftung und Ventilatoren können dazu beitragen, das Raumklima leicht zu verbessern«, ergänzt Günter Simader von der Österreichischen Energieagentur. Anlagen zur Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung und Erdreichwärmetauscher liefern ebenso umweltfreundlich kühle Luft ins Haus. »Maßnahmen der Nachtlüftung müssen so geplant werden, dass sie funktional nutzbar sind, also auch hinsichtlich Witterungsschutz, Einbruchschutz und Lärm«, ergänzt Klimaingenieur Peter Holzer

Ultima Ratio

In Städten gibt es Wärmeinseln mit fehlender Möglichkeit der Auskühlung, vielfach entsteht der fehlende Sommerkomfort aber auch durch schlechte Planung. Technische Kühlmethoden sind notwendig. »Hier sollten aber hoch effiziente Kühlgeräte anstatt konventioneller stromfressender Anlagen verwendet werden «, fordert Holzer und nennt als Beispiel solarunterstützte Kühlanlagen. Die Wahl des richtigen Gerätes hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab, so von Wand-, Boden- und Deckenfläche, Fensterflächen, Himmelsrichtung der Fenster, Wärmequellen in den Räumen und Anzahl der anwesenden Personen. Toshiba setzt auf Invertertechnologie und Doppel-Rollkolbenkompressoren. »Damit arbeiten unsere Klimageräte nur entsprechend der tatsächlichen Anforderungen und sparen das ganze Jahr über Strom«, betont Geschäftsführer Jürgen Unterrainer. Gebäudeklimatisierung bleibt laut Toshiba auch in Zukunft ein Thema. »Der Boom für Klimageräte ist etwas abgeflacht. Wir können aber immer noch von einem Marktwachstum sprechen«, so Unterrainer. Auch Wärmepumpen helfen in der heißen Jahreszeit. »Durch einen einfachen Kreislaufumkehrer wird dem Heizungswasser Wärme entzogen und an die Außenluft abgegeben. Im Zusammenspiel mit dem richtigen Kühlsystem, z.B. Deckenkühlung oder Bauteilaktivierung, können Kunden in ihrem Eigenheim die Behaglichkeit effektiv und kostengünstig auf ein Maximum steigern«, zeigt Hannes Jakob, CSO bei Neura, auf.

 

>Kühlgradtage in Öterreich<

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: Prettenthaler, Töglhofer et al. (2008)

 

>> Ziegelwand-Temperierung

Auch bei Wienerberger setzt man auf die hohe Speicherwirksamkeit gro­ßer Massen. Gemeinsam mit der Tochter Pipelife wurde ein System entwickelt, bei dem im Zuge des Rohbaus ein modulares Rohrsystem in die Wand eingelegt wird. Das Ziegelmauerwerk wird ähnlich einer Fußbodenheizung thermisch aktiviert und erhält Eigenschaften eines Flächenheizkörpers. In die Rohrleitungen kann auch kühles Wasser, das dem Raum Wärme entzieht, geleitet werden. Dadurch wird beim Kühlen überschüssige Wärme von der Wand aufgenommen. So kann der Raum aktiv und stets effizient temperiert werden und es stellt sich ein behagliches sowie wohngesundes Raumklima ein – sowohl im Sommer als auch im Winter. Die Wienerberger Ziegelwand-Temperierung kommt erstmalig im kurz vor Weihnachten 2012 fertiggestellten e4-Ziegelhaus 2020 im niederösterreichischen Zwettl zum Einsatz.

 

>> Bauteilaktivierung:

Beton entzieht dem Raum überflüssige Wärme und schafft ein angenehm kühles Raumklima. Im Officebereich ist die Bauteil- bzw. Betonkernaktivierung bereits weit verbreitet. Im Wohnbau nimmt Betonkernaktivierung aufgrund der bestehenden Rechtslage (OIB 6) noch eine unbedeutende Rolle ein. »Vertretern der Stadt Wien ist mittlerweile auch bewusst, dass im innerstädtischen Bereich bei hohen Temperaturen nächtliche Querlüftung nicht ausreicht. Hier ist Bauteilaktivierung eine sinnvolle Alternative zu technischen Hilfsgeräten«, erklärt Frank Huber, Geschäftsführer von Zement+Beton optimistisch. »Wir bemühen uns daher, dass Wohnanlagen mit aktivierten Betonbauteilen errichtet werden und führen laufend Gespräche mit Architekten und Bauherren«, so Huber und verweist auf das Expertenforum Energiespeicher Beton am 16.5.2013 in Graz.

 

>> ISERV:

Im Rahmen des von der EU finanzierten Forschungsprojekts iSERV werden Energieverbrauchsdaten von etwa 1.600 HLK-Anlagen (Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen) mit Fokus auf Kälteanlagen zur Raumkonditionierung gesammelt, um quantitative Informationen zu Energieverbrauch und Anlagenkomponenten zu erhalten und Energiesparpotenziale zu identifizieren.

> Kontakt: Christoph Gruber,
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