Mittwoch, April 09, 2025
Vorbereitet für den Ernstfall
Bild: iStock

Krisen treffen Unternehmen meist unerwartet, im Idealfall aber nicht unvorbereitet. Präventives Krisenmanagement hilft, im Ernstfall schnell und richtig zu handeln. Der Aufwand ist vergleichsweise gering, der Nutzen im Ernstfall aber enorm.

 

Wer sich hauptberuflich mit Krisenmanagement beschäftigt, kann sich in den letzten Jahren eher nicht über Unterbeschäftigung beklagen. Pandemie, Lieferkettenunterbrechung, explodierende Energiepreise, Krieg in der Ukraine… die Liste ließe sich noch lange fortsetzen und wird vermutlich in nächster Zeit auch noch laufend ergänzt. Laut »Global Crisis and Resilience Survey 2023« von PwC zufolge haben neun von zehn Unternehmen weltweit in den letzten zwei Jahren mehrere größere Krisen oder Disruptionen erlebt. 76 Prozent der Unternehmen mussten dabei erhebliche Auswirkungen auf den Betrieb in Kauf nehmen.

»Die Entwicklungen der letzten Jahre haben bei vielen Unternehmen zu einem erhöhten Krisenbewusstsein geführt«, erklärt Jörg Riener, Krisenmanagement und Geopolitical Risk Advisory Manager bei PwC Österreich. Klar ist, Krisen können jedes Unternehmen treffen. Wer gut vorbereitet ist, reagiert jedoch im Ernstfall rascher, fokussierter und agiler.

Riener teilt aktives Krisenmanagement in die drei Bereiche: »prepare«, »respond« und »emerge stronger«. Die Phase der Vorbereitung dient zur Entwicklung, Verbesserung und Aufrechterhaltung des Krisenmanagements. »Während einer Krise ist nicht genügend Zeit, um sich vorzubereiten«, so Riener. Bei der Krisenbewältigung geht es darum, die Krise zu verstehen und Maßnahmen zu priorisieren. Dafür braucht es ausreichend Ressourcen und interne wie externe fachliche Expertise. »Durch eine detaillierte interne Analyse in Kombination mit einem externen Blick kann ein Unternehmen die richtigen Schlüsse aus der Krise ziehen und gestärkt aus der Krise hervorgehen«, ist Riener überzeugt.

 JorgRiener-09250.jpg

Bild: »Vorausschauendes Krisenmanagement ist ein vergleichsweise geringes Invest­ment in den Aufbau von Fähigkeiten, bringt aber einen enormen Mehrwert«, ist Jörg Riener, Experte für Krisenmanagement bei PwC, überzeugt. 

Krisen erkennen
Die Vorbereitung auf eine Krisensituation beginnt mit der Definition der möglichen Krisen. »Jedes Unternehmen muss für sich definieren, was eine Krise ist«, so Riener. Ein Krisenstab muss aufgebaut werden, die zentralen Stakeholder identifiziert und ein Krisenhandbuch inklusive Leitfaden entwickelt werden. »Jedes Unternehmen muss zudem seine drei bis fünf Top-Risiken identifizieren und mögliche Krisenszenarien entwickeln, die mittels Schulungen und Übungen ›durchgespielt‹ werden«, so Riener. Dabei sei es aber nicht nötig, allzu sehr ins Detail zu gehen. Es geht vielmehr um eine grobe strategische Ausrichtung und vor allem um klare Kompetenzfestlegung, wer eine Krise ausrufen und den Krisenstab einberufen darf. Alles andere wäre laut Riener eine Ressourcenverschwendung, »weil eine Krise immer anders eintritt als geplant«.

Speed wins
Ist eine Krise eingetreten, gilt es, kühlen Kopf zu bewahren und schnell zu handeln. »Die ersten Schritte sind allen bekannt und wurden geübt. Jeder weiß, wer die Entscheidungen trifft«, so Riener. Absolute No-Gos in dieser Phase sind Schuldzuweisungen und emotionale Reaktionen. »Schuldzuweisungen oder Wutausbrüche sind ein Beleg dafür, dass eine Organisation nicht resilient und krisenfest aufgestellt ist.« Es geht um eine sachliche Analyse der Situation, das Erstellen eines Lagebilds sowie daraus ableitend Handlungsoptionen zu entwickeln. »Wichtig ist eine klare Lagebeurteilung, bei der man sich nicht selbst belügt, denn sonst werden auf dieser Lüge oder Beschönigung die Handlungsoptionen erstellt. Das kann nur schief gehen«, mahnt Riener, der eine Begleitung durch externe Expert*innen empfiehlt. »Der Blick von außen hilft, die Emotionen hinunterzuschrauben und die Situation sachlich einzuordnen.«

Durch schnelle und gezielte Reaktion kann eine Krise bewältigt und die Auswirkungen sowie der finanzielle Schaden minimiert werden. Dies schafft zusammen mit transparenter Kommunikation Vertrauen bei den Stakeholdern. Damit ein Unternehmen gestärkt aus der Krise kommt, muss das Krisenmanagement nach Beendigung der Krise im Detail analysiert, die Lessons learned identifiziert und in die Unternehmensorganisation integriert werden. »Werden die Erfahrungen aus der Krisenbewältigung geteilt, kann auch die Krisenresilienz ganzer Branchen erhöht werden«, so Riener.


Glossar: Krisenarten
Verschiedene Arten von Krisen und wie sie sich zeigen können

1. Humankapital
- Hohe Personalfluktuation
- Streiks
- Bedrohung durch Insider

2. Operativ
- Lieferkettenunterbrechung
- Ausfall der Infrastruktur
- Produktrückrufe

3.Technologisch
- Diebstahl von geistigem Eigentum
- Technologieversagen
- Cyberattacken

4. Reputativ
- Negative Markenassoziation
- Verlust der Marktposition
- Fehlverhalten von Führungskräften

5. Humanitär
- Terrorismus/bewaffnete Konflikte
- Naturkatastrophen
- Pandemien

6. Rechtlich
- Sanktionen
- Interessenskonflikt
- Verstöße gegen Rechtsvorschriften

7. Finanziell
- Globale Finanzkrise
- Insolvenz
- Interessenskonflikt
- Betrug und Finanzkriminalität

Quelle: PwC


Checkliste Krisenmanagement
Am Beginn des Krisenmanagements muss immer die Frage stehen, ob es sich bei einem Ereignis um eine potenzielle Krise handelt oder nicht. Wird ein Ereignis als potenzielle Krise eingestuft, muss ein Lagebild erstellt werden (siehe unten). »Das ist deshalb wichtig, weil anhand dieses Lagebilds vom Krisenstab bzw. den jeweiligen Führungskräften die Handlungsoptionen entwickelt werden müssen«, erklärt Jörg Riener von PwC. Hat das Unternehmen ein falsches Bild der Situation, dann läuft es Gefahr, zu spät oder falsch zu reagieren.

Erstellung eines Lagebilds zur Einordnung der Krise

Was sind die Fakten?
- Welche Fakten sind aktuell bekannt?
- Welche Fakten müssen verifiziert oder erst herausgefunden werden?

Welche Bereiche sind betroffen?
- Identifikation der unmittelbar oder mittelbar betroffenen Unternehmensbereiche
- Zuweisung von Verantwortlichkeiten und Einrichten eines Reportings

Wer sind die relevanten Stakeholder?
- Identifi­kation der Stakeholder: Mitarbeiter*innen, Kund*innen, Partnerunternehmen, Zulieferer usw.
- Erstellung einer Prioritätenreihung der Stakeholder

Wie ist die öffentliche Wahrnehmung?
- Identifikation des Reputationsrisikos
- Medienscreening nach möglichen Berichten

 

Meistgelesene BLOGS

Andreas Pfeiler
19. Dezember 2024
Unlängst mit der Frage »Was sind die Gründe für die sinkende Produktivität in der Baustoffindustrie?« konfrontiert, begab sich der Autor dieser Zeilen auf die Suche nach Antworten. Und wurde rasch fün...
AWS (Amazon Web Services)
11. Dezember 2024
Amazon hat sein europäisches Reverse-Logistics-Programm durch re:Cycle Reverse Logistics erweitert. re:Cycle Reverse Logistics betreibt Einrichtungen in Dublin, die Geräte aus AWS-Rechenzentren testen...
Firmen | News
16. Dezember 2024
Kryptowährungen und Investieren erscheinen oft exklusiv und komplex, doch innovative Technologien machen sie zunehmend einfacher und für alle zugänglich. Mit einer niedrigen Einstiegsschwelle von 50 €...
AWS (Amazon Web Services)
18. Dezember 2024
Amazon Web Services (AWS) stellt 100 Millionen Dollar für benachteiligte Schüler:innen zur Verfügung, um ihnen Kenntnisse in den Bereichen KI, Cloud Computing und Alphabetisierung zu vermitteln. In de...
Josef Muchitsch
23. Dezember 2024
Die Entscheidung, die KIM-Verordnung auslaufen zu lassen, ist ein wichtiger Erfolg für die Bauwirtschaft und alle Beschäftigten. Ursprünglich eingeführt, um den Immobilienmarkt zu regulieren, hat die ...
Alfons A. Flatscher
19. Dezember 2024
Europa steht vor drängenden Herausforderungen: Banken sind zunehmend restriktiv, alternative Formen der Finanzierung sind unterentwickelt. Die Folge? Vielversprechende Projekte und innovative Ideen sc...
AWS (Amazon Web Services)
07. Jänner 2025
Jedes Jahr fordert Krebs weltweit etwa 10 Millionen Menschenleben, und die WHO geht davon aus, dass die weltweiten Krebserkrankungen bis 2040 um 60 Prozent steigen werden. Während die Welt immer noch ...
Bernd Affenzeller
18. Dezember 2024
 Das Auslaufen der KIM-Verordnung hat in der Bau- und Immobilienbranche zu einem deutlich wahrnehmbaren Aufatmen geführt. Und tatsächlich mehren sich die Anzeichen, dass 2025 besser laufen wird a...

Log in or Sign up