Dienstag, Mai 20, 2025

Ohne Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gibt es verschiedene Rechtsmeinungen. Bei den Bau- und Materialpreisen in Folge der Coronapandemie ist das seit mehr als zweieinhalb Jahren der Fall und auch für die Auswirkungen des Ukraine-Krieges fehlt die Judikatur. Ein Überblick über aktuell vorherrschende Rechtsmeinungen. 

Tipp: Womit je nach Vertragsart zu rechnen ist, haben wir gemeinsam mit den Experten der FSM Rechtsanwälte in einer Übersicht zusammengestellt - hier abrufbar: Bauverträge: Preissteigerungen bei höherer Gewalt

Seit über zweieinhalb Jahren ist die Coronapandemie ein ständiger Begleiter. Fast ebenso lange begleitet uns auf juristischer Ebene das Thema »höhere Gewalt« und die Frage, wer für pandemiebedingte Folgen das Risiko zu tragen hat. Trotz der langen Zeitspanne steht eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) noch aus. Entsprechend zahlreich und mitunter auch widersprüchlich sind die verschiedenen Rechtsmeinungen zum Thema. Gemeinsam mit FSM Rechtsanwälte bietet der Bau & Immobilien Report einen Überblick über die verschiedenen Meinungsstände, wie mit Preissteigerungen bei Fällen höherer Gewalt umzugehen ist. 

Hintergrund

Unter höherer Gewalt versteht man ein von außen einwirkendes außergewöhnliches Ereignis, das nicht in einer gewissen Regelmäßigkeit vorkommt und dessen schädigende Folgen auch nicht durch äußerst zumutbare Sorgfalt abgewendet werden können. Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Coronapandemie ein Fall höherer Gewalt ist, weniger eindeutig ist die Sachlage im Fall des Ukraine-Krieges. Ein kriegerischer Akt auf heimischem Boden wäre unstrittig höhere Gewalt. Die Ukraine liegt aber weit im Osten. »Dennoch ist davon auszugehen, dass aufgrund der Unterbrechung der globalen Lieferketten auch hier ein Fall höherer Gewalt vorliegt«, sagt Benedikt Stockert, Partner bei FSM Rechtsanwälte. Die Entscheidung, ob dem tatsächlich so ist, wird auch hier der OGH treffen. Stockert rechnet demnächst mit einem ersten Urteil.

»Im Fall der höheren Gewalt ist nicht nur die technische Ebene vom Sachverständigen zu prüfen, sondern vorab auch die juristische Ausgangslage durch den Richter«, sagt Benedikt Stockert, Partner FSM Rechtsanwälte.

Bis der OGH seine Entscheidungen getroffen hat, herrscht ein Wettstreit der Rechtsmeinungen. Dabei zeigt sich einmal mehr, dass die Juristerei keine exakte Wissenschaft ist. »Ohne Judikatur gibt es unterschiedliche Meinungsstände, die nicht selten von bestimmten Lobbys getrieben sind«, so Stockert. Er geht davon aus, dass vor der Pandemie vereinbarte Festpreise im Streitfall eher nicht halten werden. »Bei veränderlichen Preisen wird es wohl darauf ankommen, inwieweit der vereinbarte Index die Preiserhöhung ausgleicht«, ergänzt Gabriel Kielbasa, Rechtsanwaltsanwärter bei FSM.

Bestehende Verträge

Unabhängig von der aktuellen Rechtslage empfiehlt Stockert seinen Klienten, auch im Streitfall eine gemeinsame Lösung zu suchen und einen Nachtrag zu finden. »Bauprozesse sind grauslig und kostenintensiv«, nimmt er kein Blatt vor den Mund. Dazu sei der Ausgang oft völlig ungewiss, weil es sich um reine Sachverständigenprozesse handelt. »Im Fall der höheren Gewalt ist nicht nur die technische Ebene vom Sachverständigen zu prüfen, sondern vorab auch die juristische Ausgangslage durch den Richter.«

Neue Verträge

Naturgemäß wollen Auftragnehmer eher Verträge mit veränderlichen Preisen abschließen, Auftraggeber bevorzugen in der Regel Festpreise. Die Tendenz geht aktuell aber klar in Richtung veränderlicher Preise. »Dabei ist es sinnvoll, mehrere Indizes heranzuziehen, nicht nur den Baukostenindex, sondern auch branchenspezifische Indizes.« Aber auch Festpreisverträge werden immer noch abgeschlossen, die lassen sich Auftragnehmer aber mit einem ordentlichen Risikoaufschlag versüßen. »Das muss jeder Auftraggeber für sich entscheiden, ob ihm die Preissicherheit diesen Aufschlag wert ist«, so Stockert.

»Bei Neuabschlüssen sollten unbedingt zusätzliche Klauseln für nicht vorhersehbare Fälle höherer Gewalt aufgenommen werden«, empfiehlt Gabriel Kielbasa, Rechtsanwaltsanwärter FSM Rechtsanwälte.

Außerdem empfehlen Stockert und Kielbasa bei Neuabschlüssen, zusätzliche Klauseln für nicht vorhersehbare Fälle höherer Gewalt, die außergewöhnliche Preissteigerungen zur Folge haben, in den Vertrag aufzunehmen. So sollte etwa der Fall der außergewöhnlichen Preissteigerung prozentuell vordefiniert und eine klare Beweislastregelung festgelegt werden. Auch eine Regelung zur Anpassung von Eigenkosten, Gewinnzuschlägen und Ähnlichem sollte aufgenommen werden.

Tipp: Womit je nach Vertragsart zu rechnen ist, haben wir gemeinsam mit den Experten der FSM Rechtsanwälte in einer Übersicht zusammengestellt - hier abrufbar: Bauverträge: Preissteigerungen bei höherer Gewalt


Praxistipps 

...für neue Verträge

Aufnahme einer Vertragsbestimmung für nicht vorhersehbare Fälle höherer Gewalt, die außergewöhnliche Preissteigerungen zur Folge haben, mit folgendem Inhalt:

  • Fall der außergewöhnlichen Preissteigerung prozentuell vordefinieren;
    Klare Beweislastregelungen, zum Beispiel:
  • AN hat die von der Preissteigerung betroffenen Materialien/Baustoffe konkret zu bezeichnen und die Preiserhöhung konkret darzulegen;
  • AN hat geeignete Nachweise beizulegen, aus denen die geltend gemachte Preiserhöhung ableitbar ist, und
    (Zusätzliche) Regelung zur Anpassung von Eigenkosten, Gewinnzuschlägen und Ähnlichem.

...für bestehende Verträge

Aufgrund aktueller Rechtsunsicherheit und damit einhergehender Kostenrisiken Versuch des Abschlusses außergerichtlicher Einigung und Nachtragsvereinbarungen;

  • Dokumentation der Art und des Ausmaßes der außergewöhnlichen Preissteigerungen anhand geeigneter – objektiver – Nachweise;
  • Darlegung der Auswirkungen auf die jeweiligen LV-Positionen und
  • Einhaltung der Bestimmungen der ÖNORM B2110 zur Anmeldung von Forderungen dem Grunde und der Höhe nach (Punkt 7.3.2 und 7.4.1 der ÖNORM B2110).

Über FSM Rechtsanwälte

Der Fokus der Wirtschaftskanzlei liegt im Immobilien- und Vergabe- sowie im Unternehmens- und Gesellschaftsrecht. Die Kanzlei will hervorragende juristische Beratung neu und zeitgemäß denken. FSM legt in der Beratung Wert auf eine ganzheitliche Herangehensweise, die vor allem wirtschaftliche Aspekte mitberücksichtigt. Persönliche Betreuung, rasche Reaktionen und das Eingehen auf die individuelle Situation des Klienten stehen im Vordergrund.  FSM Rechtsanwälte wurde im kürzlich veröffentlichten »trend«-Anwaltsranking und im »The Legal 500«-Ranking als eine der Top Anwaltskanzleien des Landes ausgewiesen. Zudem wurde FSM von JUVE als Top 20 Arbeitgeber ausgezeichnet und als »Kanzlei des Jahres 2022 Österreich« nominiert.

Weitere Infos: www.fsm.law

(Bilder: iStock, FSM Rechtsanwälte)

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