Sonntag, Mai 04, 2025
Allianzvertrag "light" - Teil 2

Teil 2: Die Sicht des Auftragnehmers

Die Aufweitung eines bestehenden Stollens beim Kraftwerk Wiesberg wurde aufgrund der überschaubaren Größe als Allianzmodell »light« abgewickelt. Die wesentlichen Vorteile bleiben bestehen. Das Risiko wird geteilt, ebenso der Erfolg. Das Projekt an sich rückt in den Vordergrund. Im Gegensatz zu klassischen Vertragsmodellen gab es während der gesamten Bauphase praktisch keine Vertragsdiskussionen. Sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer zeigen sich zufrieden.

Allianzverträge eignen sich nur für Projekte ab einem Volumen von rund 35 Millionen Euro – dachte man bislang. Mit diesem ungeschriebenen Gesetz haben Auftraggeber Donau Chemie und Auftragnehmer Swietelsky mit Unterstützung von der auf Ingenieurdienstleistungen spezialisierten Bernard Gruppe und Heid und Partner beim Projekt Kraftwerk Wiesberg jetzt erfolgreich gebrochen. Die technisch weitgehend unspektakuläre Aufweitung eines bestehenden Stollens bewegt sich gerade mal in einer Größenordnung von vier bis fünf Millionen Euro.

Dennoch kam bei diesem Projekt ein Allianzvertrag zum Einsatz, wenngleich auch als eine Art letzter Ausweg. »Wir hatten ursprünglich ein Einheitspreisangebot erstellt. Im Zuge der Auftrags- und Preisverhandlungen wurden vom Auftraggeber Änderungs- und Optimierungsszenarien abgefragt, die im Einheitspreisregime kosten- und risikomäßig nur schwer aufzulösen waren«, erklärt Wolfgang Pacher von Swietelsky Tunnelbau. Vom Auftraggeber wurde dann auf Initiative von Wolfgang Holzer von Bernard Ingenieure das Allianzmodell ins Spiel gebracht. Aufgrund der Größe des Projekts entschloss man sich, nicht alle Maßnahmen eines Allianzmodells zu übernehmen, um den Aufwand in der Abwicklung möglichst gering zu halten.

Die konkrete Vertragsgestaltung übernahm Daniel Deutschmann von Heid und Partner. Herausgekommen ist ein Allianzmodell »light«, das völlig neu entwickelt und an das Projekt angepasst wurde. »Bei diesem Vertragsmodell hatten auch wir als Auftragnehmer das Gefühl, dass unsere Interessen entsprechend berücksichtigt wurden. Die endgültige Entscheidung für den Allianzvertrag war dann nur noch ein kleiner Schritt«, erklärt Pacher.

Fokus Risk-Sharing

Beim Allianzmodell »light« werden einzelnen Aspekte aus dem klassischen Allianzmodell rausgenommen und umgesetzt. Im konkreten Fall des Kraftwerks Wiesberg war das der Risk-Sharing-Ansatz, der in einem eigenen dreistufigen Vergütungsmodell mit Bonus-Malus-System umgesetzt wurde (siehe Kasten). Neben der Risikosphäre Auftraggeber und der Risikosphäre Auftragnehmer wurde eine dritte, gemeinsame Risikosphäre eingeführt. Gemeinsam mit den Projektbeteiligten wurden Risiken identifiziert und Eintrittswahrscheinlichkeiten berechnet und daraus die Zielkosten abgeleitet. Aus diesen Zielkosten ergeben sich auch die Bonus- und Maluszahlungen.

Nicht nur Auftraggeber Donau Chemie ist von den Vorteilen des Allianzvertrags »light« überzeugt (siehe Bau & Immobilien Report 2/2020 Seite 18ff). Auch Auftragnehmer Swietelsky zieht ein positives Zwischenfazit. »Der wesentliche Vorteil des Allianzmodells liegt in er umfassenden Gleichschaltung der Interessen von Auftraggeber und Auftragnehmer«, erklärt Pacher. Auch in der abgespeckten Version wird jede Optimierung als gemeinsamer Erfolg gesehen. Bei auftretenden Problemen wird umgehend gemeinsam an der günstigsten Lösung gearbeitet, ohne sich vorher auf die zeitraubende Suche nach einem Zuständigen oder Schuldigen zu begeben.

»Im Vergleich zu den herkömmlichen Einheitspreisverträgen hatten wir während der gesamten Bauphase quasi keine Vertragsdiskussionen. Außerdem konnten wir gemeinsam an technischen und terminlichen Optimierungen partizipieren, ohne den Umweg über langwierige Vertragsfortschreibungen wie Value Engineering oder Minderkostenforderung nehmen zu müssen«, sagt Pacher.

An einem Strang

Einigkeit herrscht bei Auftraggeber Donau Chemie und Auftragnehmer Swietelsky darüber, dass das Allianzmodell die Voraussetzung dafür schafft, sich wieder mehr mit dem eigentlichen Produkt, dem Bauwerk mit all seinen technischen Herausforderungen, zu widmen und es gemeinsam bestmöglich zu fairen Bedingungen abzuwickeln.

»Man sieht, dass alle an einem Strang ziehen und ein gemeinsames Ziel verfolgen«, sagt Kurt Pachinger, Leiter Kraftwerk bei Donau Chemie. Für Wolfgang Pacher von Swietelsky kann mit dem Allianzmodell das technische und terminliche Gelingen eines Projekts wieder enger mit dem wirtschaftlichen Erfolg des bauausführenden Unternehmens verknüpft werden. »Damit hätte derjenige die größten Erfolgsaussichten, der das Bauen als Handwerk und Ingenieurskunst versteht und seine Ressourcen auch nach diesen Grundsätzen einsetzt und pflegt«, ist Pacher überzeugt.

Projektgröße kein Hindernis

Eine weit verbreitete Annahme, wonach Allianzmodelle in vielen Fällen zu komplex seien, kann Pacher zumindest für die Auftragnehmerseite entschärfen. »Aus meiner Sicht ist ein Allianzmodell insgesamt nicht wesentlich komplexer als herkömmliche Vertragsmodelle. Es ist lediglich noch ungewohnt.« Allerdings verschiebe sich die vertragliche Komplexität in die Angebots- und Vergabephase und hier vor allem in die Sphäre des Auftraggebers.

»Dieser muss sicherstellen, dass die Bestbieterermittlung auf Basis eines fairen, objektiven und möglichst transparenten Wettbewerbs erfolgt«, erklärt Pacher. Da ein derartiges Verfahren im Vergleich zum herkömmlichen Einheitspreisvertrag teurer ist, bleiben klassische Allianzmodelle tendenziell größeren Projekten vorbehalten, die derartige Kosten und Aufwendungen eher rechtfertigen. Die »Light«-Version beim Kraftwerk Wiesberg hat aber gezeigt, dass der Allianzvertrag seine Stärken auch in abgespeckter Form ausspielen kann.

Inwieweit der für das Allianzmodell bei allen Akteuren benötigte Kulturwandel eine Hürde darstellt, ist aktuell noch schwer abschätzbar. Aber nicht nur namhafte Player wie Stefan Graf, CEO von Leyrer + Graf, sind der Meinung, dass durch die aktuelle Situation rund um Corona »die Sensibilität für Risikoteilung steigt«. Ein weiteres wichtiges Argument wirft Daniel Deutschmann von Heid und Partner, der beim Kraftwerk Wiesberg für die Vertragsgestaltung des Allianzmodells »light« verantwortlich war, in den Ring: »Ich habe noch von keinem einzigen Unternehmen gehört, das mit dem Allianzmodell schlechte Erfahrungen gemacht hätte.«

Allianzmodell »light« am Beispiel Kraftwerk Wiesberg

Das Vergütungsmodell für das Projekt Kraftwerk Wiesberg besteht aus drei Teilen. Besondere Berücksichtigung erfährt die Geologie, die das größte Risiko des Projekts darstellt. Abgesehen davon handelt es sich um ein eher einfaches Projekt.

Teil 1: Sonstige Leistungen
Diese beinhalten sämtliche nicht in Abhängigkeit mit der Geologie zu erbringenden Leistungen wie etwa die Baustelleneinrichtung oder die Herstellung des Schutz-Aquädukts. Die Vergütung erfolgt gemäß den angebotenen Preisen ohne Bonus-Malus.

Teil 2: Leistungen Geologie
Hier geht es um die Vergütung der Stützmittel sowie der Vortriebsmannschaft inklusive zeitgebundener Kosten. Dabei werden die Einheitspreise mit den tatsächlichen Massen und der jeweilige Tagessatz mit den tatsächlichen Arbeitstagen multipliziert.

Teil 3: Bonus-Malus Geologie
Das Herzstück des Vergütungsmodells ist das Bonus-Malus-System. Liegen die tatsächlichen Kosten aus Teil 2 unter den geschätzten Kosten inklusive Risikogelder, greift die Bonusregelung, liegen sie darüber, kommt es zu einem Malus. Auftraggeber und Auftragnehmer teilen sich in einem vorab vereinbarten Schlüssel sowohl den Bonus als auch die Mehrkosten.

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