Montag, Mai 05, 2025
BIM im Tiefbau

Geht es um das Thema Building Information Modeling, ist der Tiefbau gegenüber dem Hochbau noch deutlich im Hintertreffen. Allerdings wird von den Softwareherstellern über die Planer bis hin zu Auftraggeber und Auftragnehmer fieberhaft daran gearbeitet, das zu ändern. Denn das Potenzial ist auch im Tiefbau enorm. Was BIM im Tiefbau kann – und was nicht. Und welche Hürden es noch zu nehmen gilt

Building Information Modeling (BIM) ist zweifellos eines der großen Trendthemen der Bauwirtschaft. In der Praxis hat es aber speziell in Österreich noch nicht den Stellenwert, den viele gerne hätten. Dazu kommt, dass BIM fast ausschließlich mit dem Hochbau in Verbindung gebracht wird, im Tiefbau fristet BIM noch ein Schattendasein. Gerade im Verkehrsinfrastrukturbau ist eine Übertragung von mehr oder minder etablierten BIM-Methoden des Hochbaus kaum möglich. So bedarf es beispielsweise der Verwendung spezieller Trassierungssoftware für die Modellerstellung wie auch anderer, zum Teil noch zu entwickelnder Standards und Vorgangsweisen bei der Erfassung und Abrechnung erbrachter Bauleistungen. »Neben diesen immer noch fehlenden Normen und Standards trägt auch die fehlende Nachfrage der Auftraggeberschaft dazu bei, dass sich viele Planer wie Bauausführende mit dem Thema BIM im Tiefbau bisweilen nur marginal oder noch nicht beschäftigen«, sagt Jens Hoffmann, Zentrale Technik bei der Strabag.

Zurückhaltende Auftraggeber

Tatsächlich hat die Asfinag erst in diesem Frühjahr beschlossen, ab sofort sämtliche Neubauten im Hochbau als BIM-Projekte auszuschreiben, im Tiefbau spielt BIM aber noch eine untergeordnete Rolle. Erst langsam beginnt man sich mit den Möglichkeiten von BIM im Tiefbau intensiver auseinanderzusetzen. In einem ersten Schritt wurde BIM bei Pilotprojekten wie etwa der zweiten Röhre des Karawankentunnels oder der Umfahrung Drasenhofen auf der A5 parallel zur konventionellen Projektbearbeitung eingesetzt. Jetzt wurden bei ausgewählten Projekten wie der A26 in Linz und der Fahrstreifenerweiterung A14/S16 erstmalig Planungen mit BIM mit ausgeschrieben, die sowohl die Straßen als auch sämtliche Ingenieurbauten und technische Ausrüstung umfassen. »Das sind sehr ambitionierte Vorhaben. Wir erwarten uns aber einen großen Erfahrungsgewinn und auch ­Innovationen von Seiten der Auftragnehmer«, sagt ­Sabine Hruschka, BIM-Expertin bei der Asfinag.

Auch bei den ÖBB nimmt BIM im Tiefbau gerade erst Fahrt auf. Während die ÖBB im Hochbau auf konkreten Datenstrukturen und Erfahrungen aufbauen können, steht man im Tiefbau noch relativ weit am Anfang. »Im Tiefbau sind Merkmalstämme, also die für BIM relevanten Bauteileigenschaften, noch nicht hinreichend definiert und somit ist bei BIM-Pilotprojekten im Tiefbau noch Grundlagenarbeit zu leisten«, erklärt Juliane Pamme von der Konzernkommunikation. Aktuell haben die ÖBB vier Pilotprojekte zu BIM im Tiefbau laufen. Mit den daraus gewonnen Erfahrungen soll BIM mittel- bis langfristig schrittweise in die Kernprozesse integriert werden. Außerdem verfolgen die ÖBB aktuell das Ziel, weitere BIM-Projekte in unterschiedlichen Gewerken und Projektphasen zu starten, um ihre Planungs- und Bauprozesse im Hinblick auf die Anwendung von BIM zu evaluieren.    

Großes Potenzial

Die Vorteile des Einsatzes von BIM im Tief- bzw. Verkehrswegebau sind vielfältig und unterscheiden sich nur unwesentlich von denen des Hochbaus. Ein wesentlicher Punkt sind die umfassenden Projektdaten, die über den gesamten Lebenszyklus verfügbar sind. »Ausgehend von einer dadurch höheren Planungsqualität mit verlässlicheren Mengen und transparenterem Leistungsbild bietet BIM so die Basis für neue Vertrags- und Kommunikationsformen unter den Projektbeteiligten«, erklärt Hoffmann.

Für Hubert Wetschnig, CEO der ­Habau Group, bietet BIM vor allem im Abrechnungsprozess große Vorteile. »Komplexe Erdbaukörper können beispielsweise mithilfe moderner Tiefbausoftware dreidimensional erfasst und abgerechnet werden. Durch die Modellerstellung werden die Abrechnungsmassen visuell dargestellt und somit einfach und transparent aufbereitet.« Einen weiteren Vorteil sieht er in einem vom Auftraggeber von Projektbeginn an integrierten und transparenten Risikomanagementsystem inklusive einer einhergehender Risikovorsorge. »Bauteile können aus einem sogenannten Koordinationsmodell mit dokumentierten Chancen und Risiken verknüpft, visualisiert und auch simuliert werden«, erklärt Wetschnig.

Ein Mehr an Transparenz sieht auch Sabine Hruschka als größten Vorteil von BIM im Tiefbau. »Allen Beteiligten kann viel verständlicher dargelegt werden, was Teil des Projektes ist und was nicht.« Die neuen Arbeitsmethoden würden auch eine Vielzahl verbesserter oder zusätzlicher Auswertungsmöglichkeiten mit sich bringen, um die Projekte noch besser planen und umsetzen zu können. »Dies beginnt bei der Kollisionskontrolle zwischen Bauteilen, geht über die Ableitung von Mengen aus dem Modell und führt weiter bis zur Simulation der Entwässerung bei Starkregen oder der Überprüfung von Sichtachsen«, so Hruschka.

Auch bei den ÖBB erhofft man sich durch verbesserte Kommunikation  im Planungs- und Bauprozess mit früherem Erkennen von Schnittstellenproblemen zwischen den Gewerken mehr Transparenz und Qualität. »Den größten Mehrwert erwarten wir aber in der Betriebsphase der Anlagen sowie bei Instandhaltung bzw. Reinvestition durch ein besseres Datenmanagement und durch leichteres Auffinden und Evidenzhalten von relevanten Anlageninformationen«, sagt Pamme.

Verbleibende Hürden

BIM wird sehr gut verkauft, aber es funktioniert bei weitem noch nicht alles. Das gilt vor allem auch für den Einsatz im Tiefbau. Während der Hochbau stark ebenenorientiert ist, geht es im Tiefbau verstärkt um Krümmungen und Kurven. Die Trassierungslogik und die Einbettung in ein Koordinatensystem stellen eine deutlich größere Herausforderung als im Hochbau dar. Auch die Werkzeuge und Methoden kommen immer noch hauptsächlich aus dem Hochbau. Allerdings haben die Softwarehersteller mittlerweile das Potenzial im Tiefbau entdeckt und ihre Produkte auf die speziellen Anforderungen angepasst.

Einige Hürden gilt es aber noch zu nehmen. »Wie bei allen neu eingeführten Prozessen liegt die Herausforderung darin, von Beginn an klare Strukturen und Abläufe festzulegen«, sagt Pamme. Die Aufgaben der Projektbeteiligten im Zusammenhang mit BIM sind zu regeln, genauso wie klare Zieldefinitionen, was konkret von BIM in der Planungs-, Bau- und Betriebsphase der Anlagen erwartet wird.

Außerdem muss sich BIM nicht zuletzt durch die Transparenz eines gemeinsamen Modells in einem Projekt auch im Tiefbau mit der Skepsis des einen oder anderen Projektbeteiligten herumschlagen. »Hier muss eine neue Kultur der Zusammenarbeit etabliert werden, in der offen mit Fehlern und Unwägbarkeiten umgegangen wird«, sagt Asfinag-Expertin Hruschka. Denn auch in einem BIM-Modell passieren Fehler, aber diese können einfacher von kundigen Projektbeteiligten erkannt und aufgezeigt werden. »Der Vorteil ist, dass zu diesem Zeitpunkt einfacher gegengesteuert werden kann als später auf der Baustelle«, ist Hruschka überzeugt.

Eine weitere Hürde für BIM im Tiefbau bringt Habau Group-CEO Hubert Wetschnig ins Spiel. »Auch wenn im Vorfeld umfassende Baugrunderkundungen durchgeführt wurden und diese dann auch entsprechend im BIM-Tiefbau-Modell der Ausschreibung modelliert sind, kann sich bei Tiefbau-Projekten der tatsächlich angetroffene Baugrund in Kombination mit den vorherrschenden Witterungen deutlich nachteiliger auf das Gesamtprojekt auswirken, als dies bei Hochbauprojekten der Fall sein kann.« Im Sinne einer modellbasierten Chancen- und Risiko-Betrachtung stünden hier die Auftraggeber vor der Herausforderung, diese Themen in die Bauzeitplanung entsprechend transparent einfließen zu lassen.

Fazit

Auch wenn es noch einige Baustellen gibt und BIM im Tiefbau noch am Anfang steht, vom Potenzial sind sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer überzeugt. Weitere Pilotprojekte sollen wertvolles Know-how und einschlägige Erfahrung liefern. So hat sich etwa die Asfinag zum Ziel gesetzt, mit Pilotprojekten die Möglichkeiten von BIM in sämtlichen Bereichen ihres Portfolios zu untersuchen. Dies betrifft alle Objekttypen und sämtliche Phasen im Lebenszyklus. Davon lernen können Auftraggeber ebenso wie Auftragnehmer. »Viele BIM-Projekte im Tiefbau sind momentan als Pilotprojekte konzipiert und zeichnen sich durch eine gemeinsame, partnerschaftliche Herangehensweise an das Thema BIM aus. Diese Tatsache beschreibt den aktuellen Stand der Technik ganz gut«, sagt Wetschnig abschließend.


Vorteile von BIM im Projektgeschäft

- Erhöhung der Planungssicherheit und der Prozesstransparenz.
- Komplexe Projekte mit wachsenden Anforderungen werden mit BIM beherrschbar.
- Verbesserung der Projektkommunikation und des Projektmarketings.
- Unmittelbare und kontinuierliche Verfügbarkeit aller aktuellen und relevanten Daten.
- Gleichbleibende hohe Qualität durch Standardisierung der Arbeitsweisen.
- Verkürzung von Ausführungszeiten.
- Minimierung von Risiken in der Bauausführung und Reduktion von Baukosten.
- Erhöhung des Vorfertigungsgrads.
- Weiterverwendung von Informationen für den Betrieb.

Stiftungsprofessur Tunnel Information Modeling

Das BMVIT hat eine neue Stiftungsprofessur für Tunnel Information Modeling (TIM) an der Uni Innsbruck ausgeschrieben. TIM umfasst den Lebenszyklus von Untertagebauwerken sowie untertägiger Infrastruktur für Straße, Bahn oder Wasserversorgung und -entsorgung. Das Themenfeld erstreckt sich dabei von der Planung über die Bauphase bis hin zu Betrieb, Wartung sowie Sanierung und ist geprägt von der Beteiligung verschiedener Fachdisziplinen. Das Ziel der Stiftungsprofessur für Tunnel Information Modeling ist es, die Prozesse des Tief- und Untertagebaus wissenschaftlich für eine fachübergreifende digitale Bearbeitung in der Planungs-, Bau- und Betriebsphase aufzubereiten. Der nahe gelegene Brenner Basistunnel soll bei der praktischen Umsetzung und systematischen Evaluierung der Forschungsergebnisse mithelfen.

Das BMVIT stellt für die Professur in den ersten fünf Jahren 1,5 Millionen Euro zur Verfügung, die in gleicher Höhe von der Universität Innsbruck und den mitfinanzierenden Partnern Herrenknecht AG und TPH Bausysteme GmbH aufgebracht werden. 

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