Dienstag, April 29, 2025

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Thomas Jost, Vorstand Waagner Biro, über Schwierigkeiten und Hürden bei der Digitalisierung, regionale Wachstumsmärkte und Sorgenkinder und kündigt ein Pilotprojekt an, das eine Produktivitätssteigerung von 50 Prozent verspricht.

Report: Der Umsatz von Waagner Biro ist 2015 im Vergleich zu 2014 in etwa gleich geblieben. Das Ergebnis hat sich um rund 28 Prozent verschlechtert. Wie sind diese Zahlen zu erklären?

Thomas Jost: Das Projektgeschäft unterliegt natürlichen Schwankungen. Es ist auch kein Geheimnis, dass wir zwei Projekte im Portfolio haben, die uns schon länger beschäftigen und die wirtschaftlich nicht wahnsinnig erfolgreich sind. Wir können mit dem Ergebnis aber ganz gut leben, auch wenn es unter unseren Möglichkeiten und Erwartungen liegt. Aber auch wir können uns nicht vom Markt abkoppeln und wir können auch nicht ignorieren, dass das Projektgeschäft substanzielle Einzelrisken hat.

Report: Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie für 2016?

Jost: 2016 wird sicher aufgrund verschiedener Marktunsicherheiten wie etwa dem Ölpreis noch ein spannendes Jahr. Wir haben eine sehr gute Pipeline, aber die Frage wird sein, ob sich die Kunden auch rechtzeitig zur Auftragsvergabe entscheiden. Das erste Quartal war im Auftragseingang etwas zäh, weil Projekte verschoben wurden und es oft zu Nachverhandlungen kommt. Wir sind aber regional und inhaltlich so breit aufgestellt, dass die Chancen groß sind, dass wir uns heuer mit dem Ergebnis wieder in Richtung 2014 bewegen.  

Report: Russland und der Nahe Osten zählen zu Ihren Kernmärkten. Wie viel Kopfzerbrechen bereiten diese Märkte aktuell?

Jost: In Russland haben wir uns entschieden, antizyklisch zu arbeiten. Während andere den Markt verlassen haben, sind wir verstärkt hineingegangen. Das bereitet mir aber kein Kopfzerbrechen, denn die Projekte für unsere Nischensegmente im Stahlbau und der Bühnentechnik gibt es und sie sind auch finanziert.  Anders sieht es im arabischen Raum aus. In Abu Dhabi etwa gibt es durch Krieg und Ölpreis aktuell einfach kein Budget, Gleiches gilt für Katar, obwohl dort der Druck aufgrund der Fußballweltmeisterschaft groß ist. Wir hoffen aber, dass sich die politische Lage in der Region bis Ende des Jahres stabilisiert und sich 2017 die Projektpipeline wieder gut füllen lässt.

Report: Gibt es Überlegungen, neue Sparten hinzuzuziehen oder sich aus bestehenden zurückzuziehen?

Jost: Es gibt im Moment weder Trennungsgelüste noch gibt es konkrete Pläne, eine neue zusätzliche Sparte aufzunehmen. Die Märkte und Projekte, die uns interessieren, können wir mit den vorhanden Sparten gut abdecken. Wichtig wird das Thema Water Management, das wir heute schon in unterschiedlichen Ausprägungen betreiben. Im Mittleren Osten etwa machen wir viel im Bereich Marine Works, in England Wasserschutzbauten. Das kombinieren wir jetzt gerade und gehen damit nach Indonesien oder auf die Philippinen. Damit eröffnen sich neue Geschäftsfelder, ohne eine eigene Sparte zu gründen.

Report: Planen Sie den Eintritt in neue Märkte?

Jost: Wir sind jetzt schon sehr breit aufgestellt. Wo wir noch nicht vertreten sind, und was wir nach wie vor etwas scheuen, ist Nordamerika, speziell die USA. Da gäbe es zwar sicher spannende Projekte, aber das rechtliche Umfeld ist sehr schwierig. Aber einmal im Jahr wird die Situation geprüft und über einen Markteintritt entschieden. Das werden wir auch heuer wieder machen. Ein weiteres Thema ist der Iran. Auch wenn viele meinen, dass es für einen Markteintritt schon zu spät ist. Aber das sehe ich nicht so, weil sich derzeit im Land noch nicht so viel tut. Auch die Turk-Staaten sind für uns sehr interessant.  

Report: Die Digitalisierung wird auch am Bau immer wichtiger. Welche Rolle spielt das Thema bei Waagner-Biro?

Jost: Wir haben selbst im letzten Jahr ein Projekt gestartet, wo es um die Digitalisierung des gesamten Bauprozesses geht – von der Zeichnung bis zur Abnahme. Das macht absolut Sinn und erleichtert nicht nur die technische, sondern auch die logistische Planung. Das wird immer wichtiger, vor allem bei engen, urbanen Baustellen. Gerade in diesem Bereich erwarte ich mir durch die Digitalisierung und Vernetzung der Daten für die gesamte Bauwirtschaft sehr viel.

Beim Thema BIM muss man sagen, dass viele Plattformen nichts anderes als Datenbefriedigung sind. Welche Informationen wen betreffen, ist da oft nebensächlich. Vieles ist auch nicht zu Ende gedacht. Es gibt viele Baustellen, wo es keine Highspeed-Datenleitungen gibt. Da stößt BIM dann rasch an seine Grenzen.  Dennoch haben wir eine eigene Arbeitsgruppe, die sich mit dem Thema beschäftigt, und wir starten demnächst auch ein Pilotprojekt, wo wir Teile der Konstruktion über BIM-Systeme automatisieren wollen, um die Produktivität bei Standardprodukten zu erhöhen.

Report: Welches Projekt wird das sein? 

Jost:  Darüber kann ich im Detail nichts sagen, aber unser Ziel ist eine Produktivitätssteigerung von 50 Prozent. Damit gewinnen wir dann den Staatspreis Innovation 2018 (lacht).
Fakt ist, dass die Branche in Sachen Produktivität unglaublich viel Luft nach oben hat. Aber leider ist das Interesse, wirklich kooperativ zu arbeiten, nicht sehr ausgeprägt. Andere Branchen wie etwa die Automobilindustrie haben längst erkannt, dass sie viel günstiger werden können, wenn sie die Prozesse gemeinsam optimieren. Das beginnt natürlich bei der Planung: Wie entwickle ich ein Produkt, damit ich es später servicieren kann? 

Report: Wie lange wird es aus Ihrer Sicht dauern bis das, wovon jetzt meist auf theoretischer Basis philosophiert wird, flächendeckend in der Praxis zum Einsatz kommt?

Jost:  Das ist sehr schwer zu sagen. Aber zehn Jahre wird es schon noch dauern. Wenn man sich ansieht, wie weit andere Branchen etwa beim Thema Logis­tik sind – Stichwort: Amazon –, erkennt man rasch, dass die Baubranche davon noch Lichtjahre entfernt ist. Das Potenzial ist auf jeden Fall enorm.  Das Wichtigste ist, dass man Daten nicht nur produziert, sondern sinnvoll managt. Dafür braucht es einen gemeinsamen Standard. Das wird eine große Hürde.  

Report: Welche Auswirkungen hat Ihrer Ansicht nach die verpflichtende CE-Kennzeichnung für sämtliche Tragwerke aus Stahl und Aluminium? Bringt es das erhoffte einheitliche europäische Niveau oder bedeutet es nur zusätzlichen Aufwand?

Jost:  Das ist beinahe ein philosophischer Streit. Natürlich ist es ein Mehraufwand. Für uns hat es wenig gebracht, weil wir ohnehin schon zuvor so gearbeitet haben. Anderen hat es vielleicht mehr gebracht. Inhaltlich ist das ja durchaus sinnvoll.

Report: Wo sehen Sie aktuell die größten Wachstumspotenziale für Waagner-Biro?

Jost: Regional ist sicher der asiatische Raum sehr interessant. Da haben wir in Indonesien und auf den Philippinen zwei Töchtergesellschaften. Europa ist aktuell so lausig, dass sich in Zukunft einfach etwas bewegen muss, vor allem, was die Infrastruktur anbelangt. Auch Russland hat noch Potenzial. Südamerika ist interessant, aber da sind viele Staaten stark unter Druck. Bevor der Ölpreis so stark gesunken ist, haben wir im arabischen Raum enormes Potenzial gesehen. Das hat sich jetzt deutlich relativiert. Inhaltlich sehe ich vor allem im Bereich Brückenbau große Chancen. Im Bereich Stahl- und Glastechnik wird viel davon abhängen, ob sich die allgemeine wirtschaftliche Lage wieder so stabilisiert, dass in Architektur investiert wird. Bei der Bühnentechnik sehe ich vor allem im Bereich der Multifunktionshallen Wachstumschancen.  

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