Dienstag, April 29, 2025

Seit 1. September ist das »Alternativfinanzierungsgesetz« (AltFG) in Kraft. Gerade für KMU soll die Finanzierung über Crowdfunding eine attraktive Alternative zu Bankkrediten werden. Dennoch gilt es einiges zu beachten.

Schon bei den Bezeichnungen herrscht Verwirrung: Der offizielle Titel lautet Alternativfinanzierungsgesetz, im üblichen Sprachgebrauch läuft die Regierungsvorlage unter dem Namen Crowdfunding-Gesetz – genau genommen regelt das Gesetz aber die rechtlichen Modalitäten von Crowd-
investing-Projekten.

Beim Crowdfunding geht es darum, möglichst viele Menschen für eine Idee so zu begeistern, dass sie einen Geldbetrag ohne Gegenleistung für die Realisierung eines bestimmten Projekts zur Verfügung stellen. Leisten genügend Interessenten einen kleinen Beitrag, kann das Vorhaben – zum Beispiel ein Film – verwirklicht werden. Die Spender bekommen in diesem Fall außer einem Dankeschön vielleicht noch eine DVD des fertigen Films. Häufig werden auf diesem Weg auch Spenden für gemeinnützige Sozialprojekte lukriert.
Beim Crowdinvesting steht eine mögliche Rendite im Vordergrund. Auch hier trägt eine Vielzahl von Mikroinvestoren dazu bei, ein Projekt – zum Beispiel die Entwicklung eines Produktes vom Prototypen bis zum marktreifen Modell – auf die Beine zu stellen. Die Geldgeber tun dies aber nicht uneigennützig, sondern beteiligen sich damit gleichzeitig an potenziellen Gewinnen des Unternehmens. Der Finanzierungszeitraum ist begrenzt festgelegt. Das Projekt startet erst nach Erreichen des Budgetziels, andernfalls werden die Investitionsbeträge wieder rückerstattet.

Schwarmfinanzierung

Abgesehen von den Begrifflichkeiten soll es insbesondere für KMU und Startups künftig leichter werden, frisches Kapital über eine Vielzahl von Geldgebern, eben die Crowd, aufzustellen. Durch die verschärften Richtlinien bei der Kreditvergabe waren herkömmliche Bankkredite gerade für eigenkapitalschwache Betriebe in unerreichbare Ferne gerückt. Das mögliche Ausfallsrisiko und die juristische Grauzone schreckten andererseits auch wohlgesonnene private Geldgeber von Investitionen ab.
Mit dem neuen Gesetz stellt die Regierung das Geldsammeln via Internet auf solide Füße und nimmt gleichzeitig die Betreiber von Crowdfunding-Plattformen stärker in die Pflicht.

Das AltFG erfasst Aktien, Anleihen, Geschäftsanteile an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften sowie die in der Praxis sehr gängigen Genussrechte, stille Beteiligungen und Nachrangdarlehen. Betroffen ist nur jene Finanzierungsformen, bei denen eine finanzielle Gegenleistung vereinbart ist. Spenden fallen somit nicht darunter.
Die wesentlichste Neuerung betrifft die Prospektpflicht. So war bisher für Emissionen mit einem Volumen ab 250.000 Euro ein umfassender Kapitalmarktprospekt zu erstellen. »Diese Prospekte umfassen nicht selten mehr als 100 Seiten und müssen zumeist von der Finanzmarktaufsicht geprüft und gebilligt werden«, erläutert Rainer Kaspar, Partner bei PHH Rechtsanwälte. »Die Kosten für die Erstellung dieser Prospekte haben die Kapitalaufnahme insbesondere für KMU stark verteuert und unter Umständen sogar unwirtschaftlich gemacht.«

Nunmehr ist die Erstellung eines vollen Prospekts erst ab einem Emissionsvolumen über fünf Millionen Euro vorgesehen, darunter gilt eine »Prospektpflicht light«. Bis zu einem Wert von 1,5 Millionen Euro ist sogar lediglich ein Informationsblatt mit deutlich reduzierten Anforderungen erforderlich. Auch KMU, die alternative Finanzierungsinstrumente an mehr als 150 potenzielle Anleger anbieten, sind von der Prospektpflicht ausgenommen. Als KMU gelten dabei Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern, maximal 50 Millionen Euro Jahresumsatz oder maximal 43 Millionen Euro Jahresbilanzsumme.

Rechtsanwalt Keyvan Rastegar von der Kanzlei RPCK sieht in dieser Definition eine »unsachliche Ungleichbehandlung« gegenüber Nicht-KMUs: »Ein KMU hat
höhere Kosten, strengere Regeln und muss ein Informationsblatt herausgeben, wohingegen ein größeres Unternehmen (wie auch bisher) ohne Informationsblatt und Investitionsbeschränkungen von Anlegern Kapital öffentlich einsammeln kann.« Wegen dieser Wertungswidersprüche könnten Unternehmer, Plattformen und Anleger »noch nicht ganz erlöst aufatmen«, so Rastegar: »In der Gesamtbetrachtung ist mit diesem Gesetz ein Meilenstein für KMU und den österreichischen Kapitalmarkt erzielt worden.«

Schutz für Anleger

»Im Gegenzug zu den verminderten Informationspflichten wird mit dem neuen Gesetz der Anlegerschutz gestärkt«, erklärt Wirtschaftsanwalt Kaspar. So gelten für die Betreiber von Crowdfunding-Plattformen Mindeststandards für ihre Qualifikation, die Informations- und Aufsichtspflicht. Grundsätzlich benötigen sie eine Gewerbeberechtigung als gewerbliche Vermögensberater. Sollen sie auch bestimmte Wertpapiere vermitteln, ist eine Konzession als Wertpapierdienstleistungsunternehmen erforderlich. Auch für die auf dem Informationsblatt enthaltenen Angaben haftet das Unternehmen zivilrechtlich gegenüber den Anlegern. Sollten die Informationen mangelhaft sein, gilt ein zweiwöchiges Rücktrittsrecht.

Zudem sollen private Investoren durch eine Emissionsobergrenze von 5.000 Euro pro Jahr geschützt werden. Ausnahmen gibt es für juristische Personen und professionelle Anleger. Höhere Beträge sind möglich, wenn der Anleger erklärt, höchstens das Doppelte seines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens (über zwölf Monate gerechnet) oder maximal 10 % ihres Finanzanlagevermögens (Bankguthaben, Sparbücher, Genussscheine, Aktien) zu investieren. Dass hier die Bürger bevormundet werden und der Staat einen Einkommensnachweis verlangt, wird in der Gründerszene recht süffisant kritisiert. Letztlich ist das Gesetz ein Kompromiss zwischen Mindeststandards und Risikominimierung. Trotzdem sollte den Anlegern bewusst sein, dass es sich bei alternativen Investments um Risikokapital handelt. Totalverluste sind nicht ganz unwahrscheinlich.

Verstärkte Nachfrage

Die seit 2013 tätigen Plattformen haben laut Fachverband der Finanzdienstleister bisher 49 Projekte mit einem Volumen von 6,3 Millionen Euro finanziert. »Das klingt im ers­ten Moment viel, aber im Schnitt haben sich die meisten Projekte wohl selbst mit 100.000 bzw. 250.000 Euro limitiert, um nicht unter die Informationspflichten des Kapitalmarktgesetzes zu fallen«, meint PHH-Partner Rainer Kaspar. Das könnte sich nun ändern. Die Kanzleien melden verstärkt Anfragen zum Thema Crowdfunding.
Die Erwartungen sind hoch gesteckt: Die Regierung rechnet mit 65 Millionen Euro, die jährlich über Crowdfunding in Unternehmen fließen könnten. Anna Wieser, Juristin in der Kanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte, hegt diesbezüglich Zweifel: »Es wird erst die Praxis zeigen, ob das neue Gesetz – wie vielfach in den Medien erwähnt wird – als ›Jobmotor‹ fungieren wird und die neuen Vorgaben eine Emission tatsächlich vereinfachen können.«

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