Sonntag, Mai 11, 2025

 

Georg Pölzl. ''Allein zu Haus'' - auf dem Briefmarkt finden sich für den Postgeneral keine Konkurrenten. Die Ampel steht endlich auf grün, aber auch nach der Liberalisierung des Briefmarktes fährt niemand los. Warum die Privaten kein Bein auf den Boden bekommen und wie sich die Post die Konkurrenz vom Leibe hält.


Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Es hat ein paar Jahrzehnte gedauert, aber dann wurde der Sager des US-Autors Carl Sandberg zum geflügelten Wort der Friedensbewegung. Ziemlich friedensbewegt geht es auch auf dem Briefmarkt zu, obwohl der Startschuss für die Liberalisierung mit Jahresbeginn gefallen war. Statt Wettbewerb und Kampf um Kunden bleibt bis auf weiteres alles wie gehabt. Die Post darf zwar jetzt auch offiziell als Ex-Monopolist gelten, das „Ex“ ist freilich eher theoretischer Natur. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein paar gefühlte Jahrzehnte hat allein der Liberalisierungsprozess gedauert. Dieser wurde in Brüssel noch weit im letzten Jahrhundert gestartet und von der EU mehrfach verschoben. Schon in den 90ern wälzte das Postmanagement Strategien, wie man neuen Konkurrenten im Briefmarkt begegnet. Kein Fehler, aber im Rückblick betrachtet nicht nur zehn Jahre zu früh, sondern auch vergebene Mühe. Als potenzielle Marktteilnehmer wurden so gut wie alle namhaften Postgesellschaften gehandelt. Schweizer, Franzosen, Holländer und natürlich die mächtigen Deutschen.

Um die Deutsche Post nicht zu verprellen, pilgerte vor allem Ex-General Anton Wais zum regelmäßigen Kotau in die Bonner Zentrale. Leere Flugkilometer, denn weder Kooperationsverhandlungen, noch freundliche Nasenlöcher haben die Konkurrenz in Schach gehalten. Eher schon Zermürbung durch das Warten auf das Postmarktgesetz 2009, das die jetzige Liberalisierung regelt. Und noch eher Ernüchterung, als der regulatorische Wurf endlich am Tisch lag. Die holländische TNT zog sich als Reak­tion darauf aus Redmail, einem 50:50 Joint Venture mit Styria, zurück. „Unter diesen Rahmenbedingungen kann in Österreich kein echter Postmarkt entstehen“, ätzte Redmail-Boss Klaus Schauer damals. Bekrittelt wurden unter anderem die hohen Kosten für die neuen Hausbriefachanlagen, die zu allem Überdruss erst 2013 flächendeckend installiert werden müssen. Pikant: Eine Verordnung, die die Umstellung nicht nur zu einem früheren Zeitpunkt vorsah, sondern die Kosten dafür auch noch den Hauseigentümern umgehängt hätte, war vor Gericht gekippt worden. Falls wahr, noch pikanter: Laut Insidern sollen ausgerechnet Redmail/­
Styria-Juristen die gefloppte Verordnung mitformuliert haben.

Schwieriger Markt

Nicht nur das rigide Postmarktgesetz dämpft die Lust auf Wettbewerb. Österreich ist nicht nur ein kleiner Postmarkt, sondern gilt auch noch als schwierig. Der Grund dafür liegt schlicht in der Geographie. Die Alpen ziehen sich von Bregenz bis Wien, eine logistische Grundversorgung ist entsprechend aufwändig und die Errichtung einer Infrastruktur teuer. Selbst in schon „ewig“ liberalisierten Postmärkten wie der Werbemittelverteilung machte sich das bemerkbar. Außerhalb der wenigen Ballungszentren existieren selbst harte Mitbewerber oft nur am Firmenpapier – und liefern ihre Aufträge dort gerne via Post aus. Aber warum sollen überregionale Werbekunden zum Schmiedl gehen, wenn man gleich zum Schmied gehen kann? Selbst ausgefuchste Profis wie der Logistik-Riese Hermes zahlten beim Markteinstieg in Österreich Lehrgeld. Zwischen Brüssel und Warschau ziehen die Deutschen – ganz das flache Land gewöhnt – ein Netzwerk für alle möglichen Transporte in Echtzeit auf. Aber zwischen Lienz und Schladming? Ein weiterer Dämpfer ist der schrumpfende Markt.

Jahrzehntelang war die Briefbeförderung eine Lizenz zum Gelddrucken. Bezeichnenderweise sprach das Postmanagement von „Briefrente“, wie die ewig sprudelnde Quelle intern genannt wurde. Ausgerechnet jetzt, wo der heilige Gral zur exklusiven Beförderungen von Briefsendungen unter 50 Gramm endlich gefallen ist, wird der Markt zunehmend unsexy. Seit Jahren schrumpfen – langsam aber kontinuierlich – die Volumen. Private schreiben schon lange lieber E-Mails als Briefe, jetzt erodiert auch noch das wichtige Firmensegment. Großkunden wie die Telekom Austria etwa verzichten zunehmend auf teuren Rechnungsversand. In den Bilanzen wurde das durch Sondereffekte wie häufige Wahlen etwas zugedeckt. Aber auch politische Parteien sparen, ebenso wie der Versandhandel, zunehmend an Papier. Auch wenn Konkurrenz im Briefmarkt bis auf weiteres ausbleibt. Georg Pölzl wird der erste Postgeneral sein, der ernste Herausforderungen zu meistern haben wird.

ÖIAG-Kapazunder Peter Michaelis augurte ja schon im April 2004 und – sic! - zwei Jahre vor dem Börsengang, dass die Post „mittelfristig“ faktisch vor der Pleite stehe. Erstaunlich: Michaelis ist immer noch im Amt und der Postfuchs fährt immer noch hübsche Gewinne ein. Aber die Zeiten werden härter.

Meistgelesene BLOGS

Nicole Mayer
16. Jänner 2025
Gründe für das neue Excellence Framework EuropeDas aktuelle gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Umfeld in Europa stellt Organisationen vor immer größere Herausforderungen. Exzellente Organisat...
AWS (Amazon Web Services)
23. Jänner 2025
Von Maureen Lonergan, VP, Amazon Web Services (AWS) Training and Certification Unternehmen haben bereits viel über generative KI gesprochen und versucht, die Auswirkungen auf das eigene Unternehmen zu...
Firmen | News
27. Jänner 2025
Internationale Geschäftsreisen sind ein essenzieller Bestandteil vieler Unternehmen und erfordern eine präzise Planung, um Zeit- und Ressourcenkosten zu minimieren. Gerade im europäischen Markt, wo di...
Nicole Mayer
29. Jänner 2025
Das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) und Quality Austria suchen wieder die besten Organisationen in Österreich. Bis 15. März haben Organisationen noch die Möglichkeit, sich online au...
Alfons A. Flatscher
30. Jänner 2025
Der mündige Wähler hat Konsequenzen gezogen – und er wird es wieder tun.Die Welt befindet sich im Umbruch. Eine konservative Welle rollt: Donald Trump in den USA, Giorgia Meloni in Italien, Javier Mil...
Nicole Mayer
29. Jänner 2025
Wie wird sich der Trainingsbereich weiterentwickeln und welche Trends sind nun wirklich gekommen, um zu bleiben? Was erwartet uns 2025 im Bereich der Aus- und Weiterbildungsangebote, um den anderen im...

REPORT | Meistgelesen

Loading...