Donnerstag, März 20, 2025



Es ist gängiger Alltag, der uns alle betrifft und den jeder kennt: Ein Arbeitsverhältnis passt ein- oder beidseitig nicht mehr. Ziel sollte jedoch immer sein, im Guten auseinanderzugehen. Daher empfiehlt es sich, Exit-Gespräche zu führen und ein Win-Win für beide Seiten herauszuholen. Doch ist vereinbart nicht gleich vereinbart!

In der Praxis werden Ansprüche zwar oftmals »miterledigt«, aber nicht gesetzeskonform abgehandelt, wodurch es zur (Teil-)Unwirksamkeit dieser Vereinbarung kommen kann. Doch wie kann das verhindert werden und worauf kommt es in Exit-Gesprächen wirklich an? Grundsätzlich kann jeder auf seine Rechte verzichten, solange das konkrete Recht seinem Zweck nach nicht unverzichtbar ist, es auch nicht durch das Gesetz ausgeschlossen wird und die Rechte anderer nicht berührt werden.

Im Arbeitsrecht gelten aufgrund des Schutzgedankens Arbeitnehmenden gegenüber strengere Regeln, weshalb es hier einer genauen Betrachtung und Differenzierung zwischen unabdingbaren und abdingbaren Ansprüchen bedarf. Einer Verzichtsbeschränkung unterliegt als unabdingbarer und damit unverzichtbarer Anspruch unter anderem das zustehende Entgelt. Allerdings gehören auch weitere arbeitsrechtliche Ansprüche, wie die Ausstellung eines Dienstzeugnisses oder die Einhaltung von Kündigungsfristen, dazu. 

Verzichtserklärungen

Bei Verzichterklärungen während aufrechtem Arbeitsverhältnis wird ein besonders strenger Maßstab angelegt. In der Rechtsprechung hat sich dabei die »Drucktheorie« durchgesetzt. Danach ist der Verzicht auf unabdingbare Ansprüche während aufrechtem Arbeitsverhältnis unwirksam, weil angenommen wird, dass dieser Verzicht nicht aus freien Stücken, sondern unter wirtschaftlichem Druck abgegeben wird. Allerdings ist eine Tendenz der Rechtsprechung ersichtlich, dieser Vermutung eine Widerlegbarkeit zuzusprechen. Dagegen gibt es in der Lehre Stimmen der Kritik, welche meinen, dass damit arbeitsrechtliche Schutzgedanken untergraben werden und Rechtsunsicherheit entstehen würde.

Auch beim Verzicht bei bzw. nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird auf die Drucktheorie abgestellt, da zumeist Arbeitnehmer*innen in der wirtschaftlich schwächeren Position sind. Dabei kommt es darauf an, ob und für welche Dauer sich Arbeitnehmer*innen in einer typischen Abhängigkeit zu Arbeitgeber*innen befinden. Der Oberste Gerichtshof hat im Falle einer einvernehmlichen Auflösung zu einem bestimmten Zeitpunkt einen rechtswirksamen Verzicht bejaht, wenn trotz Entgeltfortzahlung keine weiteren Arbeitsleistungen mehr erbracht wurden und die Parteien zugleich eine umfassende Vereinbarung getroffen haben, bei der alle noch offenen gegenseitigen Ansprüche geregelt wurden.

Mögliche Alternative

Im Rahmen der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses wird oftmals ein Vergleich angestrebt, der sämtliche wechselseitigen Ansprüche bereinigen soll und folgenden großen Vorteil bietet: Mitumfasste Verzichte von Arbeitnehmer*innen auf strittige oder zweifelhafte Ansprüche, die sonst als »isolierte« Verzichtserklärungen unwirksam wären, könnten dadurch rechtswirksam werden. Für die Frage der Wirksamkeit eines solchen Vergleichs gilt es eine Günstigkeitsprüfung durchzuführen.

Dabei kommt es nicht auf einen Vergleich der vertraglichen mit der rechtlichen Regelung an, sondern darauf, ob eine allfällige Einbuße an einer Stelle aufgrund des »Verzichts« eines Anspruchs durch Vorteile an einer anderen Stelle aufgewogen wird. Wird beispielsweise eine Entlassung auf Wunsch der Arbeitnehmenden in eine einvernehmliche Auflösung umgewandelt, so können wechselseitige Ansprüche durch beidseitiges Nachgeben neu geregelt werden.

Verzichtet so der oder die Arbeitnehmer*in auf das Überstundenentgelt und bekommt stattdessen eine Abgangsentschädigung, so ist der im Vergleich mitumfasste Verzicht rechtswirksam, sofern die Abgangsentschädigung einen so großen Vorteil bietet, dass sie den entstandenen Nachteil zumindest aufwiegt. Auch die Voraussetzung der Strittigkeit ist erfüllt, denn im Falle der zuerst angedachten Entlassung, würde das Arbeitsverhältnis mit einer gewissen Ungewissheit enden, da allenfalls die Entlassung gerichtlich angefochten werden könnte und in diesem Sinn strittige bzw. zweifelhafte Ansprüche/Rechte gegeben sind.

Die Autoren: Nicolaus Mels-Colloredo ist Partner bei PHH Rechtsanwälte und Experte für Arbeitsrecht. Aleksandra Lazic ist juristische Mitarbeiterin bei PHH Rechtsanwälte.

Meistgelesene BLOGS

Nicole Mayer
25. November 2024
Globalisierung, Digitalisierung, New Work, Kriege: Die Kette der Herausforderungen, die Unternehmen zu stemmen haben, reißt nicht ab. Um in diesen unsicheren Zeiten nicht nur zu überleben, sondern sog...
Andreas Pfeiler
19. Dezember 2024
Unlängst mit der Frage »Was sind die Gründe für die sinkende Produktivität in der Baustoffindustrie?« konfrontiert, begab sich der Autor dieser Zeilen auf die Suche nach Antworten. Und wurde rasch fün...
AWS (Amazon Web Services)
05. Dezember 2024
Vor zehn Jahren eröffnete mit der AWS Europa (Frankfurt) Region die erste AWS-Region in Deutschland, die es Unternehmen aus dem DACH-Raum ermöglicht, ihre Rechenleistung und Speicher flexibel und kost...
Firmen | News
05. Dezember 2024
In der heutigen digitalen Welt eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten, finanzielle Angelegenheiten effizient zu gestalten und dabei gleichzeitig Kosten zu sparen. Moderne Online-Tools unterstützen ni...
AWS (Amazon Web Services)
11. Dezember 2024
Amazon hat sein europäisches Reverse-Logistics-Programm durch re:Cycle Reverse Logistics erweitert. re:Cycle Reverse Logistics betreibt Einrichtungen in Dublin, die Geräte aus AWS-Rechenzentren testen...
Firmen | News
21. November 2024
In der faszinierenden Welt der Immobilien spiegelt sich der Herzschlag der Gesellschaft wider. Sowohl Puls als auch Rhythmus ändern sich stetig mit der Zeit, und die gegenwärtigen Schwingungen deuten ...
Alfons A. Flatscher
29. November 2024
Mit dem Wahlsieg von Donald Trump kündigt sich ein Paradigmenwechsel in der amerikanischen Energiepolitik an. Während die letzten Jahre geprägt waren von ambitionierten Zielen zur Reduktion der CO₂-Em...
Firmen | News
16. Dezember 2024
Kryptowährungen und Investieren erscheinen oft exklusiv und komplex, doch innovative Technologien machen sie zunehmend einfacher und für alle zugänglich. Mit einer niedrigen Einstiegsschwelle von 50 €...

REPORT | Meistgelesen

Log in or Sign up