Montag, März 24, 2025
Die große Umfrage: Karfreitag
Foto: Thinkstock

Seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) die bisherige Karfreitagsregelung als Feiertag für alle evangelischen ArbeitnehmerInnen aufgehoben hatte, entzweit eine heftige Debatte das Land – quer durch alle Parteien und Religionsgemeinschaften.

War zunächst noch von einem »halben« Feiertag ab 14 Uhr die Rede, wurde der freie Karfreitag schließlich für alle gestrichen. Die Ankündigung von Minister Gernot Blümel, es werde »niemandem etwas weggenommen«, erwies sich als haltlos. Einige Gemeinden, auch unter ÖVP-Führung, wollen die neue Lösung boykottieren. Gewerkschaft und Kirchenvertreter prüfen Klagen. Die Wirtschaft fürchtet »konzertierte Aktionen«, bei denen die gesamte Belegschaft einen bestimmten Urlaubstag beantragt, wodurch erst recht Zuschläge fällig werden. Report(+)PLUS hat ExpertInnen um ihre Einschätzung gebeten.


1.Halten Sie die Aufhebung des Karfreitags als Feiertag für eine gerechte Lösung?

Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie Österreich

Der Karfreitag wurde in den 1950er-Jahren – im Zusammenhang mit einem weiteren römisch-katholischen Marienfeiertag für alle – als Feiertag für die Evangelischen eingeführt. Angesichts der Geschichte der Evangelischen in Österreich, die mit Verfolgungen, Unterdrückung und Benachteiligungen konfrontiert waren, entsprach das einem sachgerechten Schutz einer religiösen Minderheit und war ein Akt »ausgleichender Gerechtigkeit«. Eine gerechte Lösung nach dem Urteil des EuGH, das aus Gründen der Gleichheit eine Änderung notwendig gemacht hat, wäre der Karfreitag als Feiertag für alle gewesen.

Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes Österreich



Hier darf eines nicht vergessen werden: Die Änderung beim Karfreitag ist weder vom Handel noch von der Bundesregierung angestoßen worden, das war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Die bestehende Regelung mit dem Karfreitag als Feiertag für Evangelische und Altkatholiken war aus meiner Sicht eine gute und hat nicht umsonst so lange gehalten. Der EuGH hat jedoch entschieden, dass es diskriminierend sei, wenn nur diese Glaubensgruppen am Karfreitag freibekommen. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die gewählte praxisorientierte und weitgehend kostenneutrale Lösung.

Andrea Potz, Partnerin der Kanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte

Meines Erachtens ist es eine diskriminierungsfreie Lösung: Die Aufhebung des Karfreitags als gesetzlicher Feiertag für Angehörige der evangelischen Kirchen und Altkatholiken und die Einführung des »persönlichen Feiertags« für alle ArbeitnehmerInnen hat die Diskriminierung in § 7 Abs 3
Arbeitsruhegesetz beseitigt. Dass aber diese religiösen Minderheiten ihren wichtigsten gesetzlichen Feiertag verlieren – der noch dazu ein wichtiger Gedenktag für alle Christen ist –, schafft eine Schieflage gegenüber der Beibehaltung aller katholischen Feiertage.


2. Ist der Eingriff in die Religionsfreiheit und den Generalkollektivvertrag ein Tabubruch?

Maria Katharina Moser

Der erste Tabubruch ist, dass der Evangelischen Kirche kein Gesetzesentwurf zur Begutachtung vorgelegt wurde – und das in einer Frage, die ihre inneren Angelegenheiten betrifft. Dieses Recht der Kirche ist durch das Protestantengesetz von 1961 zugesichert – abgesehen davon, dass es generell demokratiepolitisch problematisch ist, wenn neue Gesetze ohne Begutachtungsverfahren beschlossen werden. Ein zweiter grundsätzlicher Tabubruch ist ein Eingriff in den Generalkollektivvertrag, der jetzt nötig zu werden scheint. Ich halte das für einen Dammbruch.

Rainer Will

Gerade evangelische Christen sind hierzulande lange Zeit verfolgt worden. Ich bin selbst evangelisch und komme aus einer Region, wo Menschen aufgrund ihres Glaubens von ihren Höfen vertrieben wurden. Es ist bedauerlich, dass der EuGH diesen Sachverhalt nicht im Zuge seiner Urteilssprechung berücksichtigt hat. Die Klage beim EuGH wurde übrigens von einem Österreicher eingebracht, die Arbeiterkammer hat ihn begleitet, finanziert und unterstützt. Den nun erforderlichen Eingriff in den Generalkollektivvertrag sehe ich nicht als Tabubruch.

Andrea Potz

Ein Staat kann religiöse Feiertage als gesetzliche Feiertage einführen oder beseitigen – solange er dabei nicht diskriminiert. Durch die Möglichkeit, den höchsten Feiertag nunmehr als »persönlichen Feiertag« zu wählen, ist diese Regelung wohl kein Eingriff in die Religionsfreiheit. Eingriffe in bestehende Kollektivverträge sind nicht ungewöhnlich. Hier ist aber erstmals mittels Gesetz ein Anspruch aus einem Generalkollektivvertrag zum Nachteil der ArbeitnehmerInnen beseitigt worden. Ein solches Novum wirft tatsächlich einige Fragen auf, ein Tabubruch ist der Eingriff als solcher aber nicht.


3. Wird die neue Regelung in der Praxis halten?

Maria Katharina Moser

In der Praxis sehen wir, dass einzelne Dienstgeber im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Karfreitag entweder ihren evangelischen oder allen MitarbeiterInnen freigeben. Ob gegen das Gesetz an sich geklagt werden kann, lässt die Evangelische Kirche gerade juristisch prüfen.

Rainer Will

Davon gehe ich aus. Für die heimischen Händler ist jedenfalls entscheidend, dass durch die Neuregelung keine finanzielle Mehrbelastung entsteht und auch der Koordinationsaufwand durch die Regelung »persönlicher Feiertage« handhabbar bleibt. Der Karfreitag ist neben der religiösen Bedeutung gerade für den Lebensmitteleinzelhandel der zweitwichtigste Umsatztag im Jahr und für den gesamten Handel ist der Freitag generell der zweitwichtigste Tag der Woche, wodurch viele Jobs an dem Tag hängen. Wir appellieren daher auch an die Gewerkschaft, keine Aktionen zu setzen, die beschäftigungsintensive Arbeitgeber beeinträchtigen.

Andrea Potz

Die Bestimmung zum »persönlichen Feiertag« ist eine unorthodoxe Regelung, weil sie Feiertags- und Urlaubsrecht vermischt. Sie verstößt aber nicht gegen das Gleichbehandlungsrecht. Ich gehe daher davon aus, dass die Regelung hält, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass in der Praxis Umsetzungsprobleme auftauchen werden. Das Problem bleibt aber für jene Feiertagsregelungen in Kollektivverträgen bestehen, die das Gesetz nicht – wie den Karfreitag für Evangelische und Altkatholiken – ausdrücklich ausschließt.

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