Samstag, Mai 03, 2025
Frauen in der Bauwirtschaft
Foto: iStock

Frauen sind in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen nach wie vor stark unterrepräsentiert. In der Bauwirtschaft ist die Quote noch etwas schlechter als in anderen Branchen. Allerdings gibt es in den letzten Jahren leichte Zuwächse: Sowohl in den Führungsetagen als auch in den technischen Bereichen trifft man immer öfter auf Frauen.

Der Fachkräftemangel in Österreich spitzt sich immer weiter zu und ist laut Deloitte auf dem besten Weg, zur größten Hürde für das heimische Wirtschaftswachstum zu werden. Laut Industriellenvereinigung hat alleine die Industrie einen Bedarf an Fachkräften von rund 60.000 Personen. 10.500 dieser Stellen können aller Voraussicht nach nicht besetzt werden. Vor allem in den sogenannten MINT-Fächern, also in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, suchen die Unternehmen händeringend Personal. Gleichzeitig liegt ein nicht unwesentliches Arbeitskräftepotenzial weitgehend brach. Je nach Quelle sind gerade einmal 13 bis 15 Prozent der technischen Fachkräfte in Österreich weiblich – Tendenz stagnierend. Das ist nicht immer rational erklärbar. An den heimischen Universitäten ist die Zahl der Absolventinnen in naturwissenschaftlichen und technischen Fächern von 2000 bis 2016 von 27 auf 36 Prozent gestiegen, an den Fachhochschulen von elf auf 23 Prozent. In den Unternehmen spiegelt sich dieser Trend aber nicht wider. Das ist zum Teil auch hausgemacht.

»Mir erzählen immer noch viele Absolventinnen der TU Wien, dass sie Schwierigkeiten haben, einen adäquaten Job zu finden«, berichtet Brigitte Ratzer, Leiterin der Abteilung Genderkompetenz an der TU Wien. Das trifft vor allem auf jene 40 Prozent zu, die nicht österreichische Staatsbürgerinnen sind. »Vielen von diesen hochqualifizierten Frauen haben zwar ein Studium in deutscher Sprache absolviert, Deutsch ist aber nicht ihre Muttersprache. Das ist nach wie vor ein immenser Nachteil am Arbeitsmarkt«, sagt Ratzer. Dazu kommt, dass die Hälfte der Nicht-Österreicherinnen aus Drittstaaten kommt und keine Arbeitsgenehmigung hat. Für sie müsste die sogenannte Rot-Weiß-Rot-Karte beantragt werden, was für viele Unternehmen ein viel zu langwieriger und komplizierter Prozess mit ungewissem Ausgang ist. »Vor allem kleinere Betriebe probieren das erst gar nicht, weil sie keine Ressourcen dafür haben«, erklärt Ratzer.

Die Situation am Bau

Im März 2015 hat der Bau & Immobilien Report erstmals führende Vertreter der heimischen Bauwirtschaft zum Frauenanteil in ihrem Unternehmen befragt. Das Ergebnis war ernüchternd, denn in der Bauwirtschaft war der Frauenanteil noch niedriger als gesamtwirtschaftlich betrachtet. Nur 9,8 % der technischen Berufe waren mit Frauen besetzt. Ähnlich die Situation in der ersten und zweiten Führungsebene, wo nur 10,9 % weiblich waren. Ein Update im Jahr 2017 zeigte eine leichte Verbesserung, aber noch keine echte Trendwende.

Die aktuelle Auflage der Report-Umfrage bestätigt dieses Bild (siehe Kasten). Heuer sind immerhin schon 13,3 Prozent der technischen Berufe mit Frauen besetzt. Getrieben ist diese positive Entwicklung allerdings in erster Linie von den mitarbeiterstarken Unternehmen wie Porr oder Strabag. In 55 Prozent der befragten Unternehmen war der Frauenanteil in der Technik in den letzten vier Jahren aber sogar rückläufig.

Um eine echte Trendumkehr zu schaffen, braucht es laut Ratzer weitreichende Maßnahme. Möglich wäre etwa im Rahmen des Bestbieterprinzips die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an eine Frauenquote oder an das Vorhandensein von Frauenförderungsplänen und die nachweisliche Steigerung des Frauenanteils in den Unternehmen zu koppeln. »Dass das geht, zeigen Kommunen wie Wien bereits vor, es ist eine Frage des politischen Willens«, sagt Ratzer, die aber auch die Unternehmen in die Pflicht nimmt.

In vielen Unternehmen werden qualifizierte Frauen immer noch nicht als solche anerkannt und behandelt. »Viele Absolventinnen berichten, dass sie ständig beweisen müssen, qualifiziert zu sein, dass sie sich isoliert fühlen, dass das Arbeitsklima unangenehm ist, aber auch von Lohndiskriminierung«, sagt Ratzer. Die Folge ist der berühmte »Drehtüreffekt«, dass Frauen zwar einschlägig berufstätig werden, aber nach relativ kurzer Zeit die Firmen wieder verlassen und dann oft in andere Bereiche wechseln. Unternehmen sind also nicht nur gefragt, ihr Recruiting so zu gestalten, dass qualifizierte Frauen auch tatsächlich eine Chance haben, sondern auch für ein frauenfreundliches Arbeitsklima zu sorgen.

Was Unternehmen tun ...

Viele Unternehmen aus der Bauwirtschaft sehen das erfreulicherweise genauso und versuchen die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. »Die Förderung von Frauen über alle Hierarchieebenen hinweg ist in Bezug auf den Fachkräftemangel ein zentrales Thema für uns«, sagt etwa Porr-CEO Karl-Heinz Strauss.

Vorrangiges Ziel ist es Mädchen und Frauen für Berufe in der Technik und damit auch für die Bauindustrie zu gewinnen. Mit gezielten Employer-Branding-Maßnahmen wie der Teilnahme am »Wiener Töchtertag«, am »Tag der Lehre« sowie mit der Roadshow »Porr@HAK« sollen Einblicke in Lehrberufe, technische und kaufmännische Aufgabengebiete sowie Akademikerpositionen ermöglicht und der traditionell eher männerdominierte Bausektor für Frauen attraktiv präsentiert werden. Unter dem Titel Women@Porr findet einmal im Jahr ein Frauennetzwerktreffen statt. Dazu kommen flexible Arbeits- und Auszeitmodelle, ein aktives Karenzmanagement und ein spezielles Mentoring-Programm, um Potenzialträgerinnen und -träger gezielt zu fördern und den Frauenanteil in Leitungspositionen zu erhöhen.

Zweifellos eine Vorreiterrolle nimmt die Strabag beim Thema ein. Seit 2012 arbeitet ein internes Team intensiv daran, Maßnahmen zur Förderung von Frauen und der Karriere von Frauen im Konzern auszuarbeiten und einzuleiten. Die Aktivitäten reichen vom gezielten Marketing über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bis zur aktiven Karriereförderung. So verwendet die Strabag in ihren Texten und Stellenausschreibungen durchgängig sowohl die männliche als auch die weibliche Form. Damit sollen gezielt weibliche Studierende, Absolventinnen und Bewerberinnen angesprochen werden. In der Konzernakademie werden speziell für Frauen konzipierte Seminare angeboten und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurden ein Elternkarenz-, Elternzeit- und Rückkehrmanagement entwickelt.

Auch die Kirchdorfer Gruppe will in Zeiten des Facharbeitermangels nicht auf gut ausgebildete Mitarbeiterinnen verzichten. »Frauen bringen frischen Wind und wertvolles Arbeitskräftepotenzial in die Bauindustrie«, sagt Geschäftsführer Erich Frommwald. Dafür setzt Kirchdorfer neben der Vereinbarkeit von familiären, sozialen und beruflichen Pflichten auch auf eine ausgewogene Work-Life-Balance. »Diverse Sozialleistungen wie kostenlose Sportprogramme, eine bedarfsgerechte Gesundheitsvorsorge und flexible Arbeitsmodelle tragen zu einer ansprechenden Arbeitsumgebung bei. Dabei spielen Flexibilität und Verständnis im Alltag eine große Rolle«, sagt Frommwald.

Saint Gobain wiederum versucht beim Bewerbungsprozess immer zumindest eine Frau in die engere Auswahl zu nehmen. »Diese Strategie hat im letzten Jahr dazu geführt, dass beispielsweise Rigips Austria seit Beginn der Firmengeschichte den ersten weiblichen Lehrling im Beruf Metalltechniker zur Ausbildung aufgenommen hat«, sagt CEO Peter Giffinger, dessen Führungsteam in der 1. und 2. Ebene zu 38 Prozent aus Frauen besteht.

Beim Handelsunternehmen Würth würde man sich speziell im Vertrieb einen höheren Frauenanteil wünschen. Auch Führungspositionen, die in den nächsten Jahren vakant werden, sollen verstärkt mit Frauen besetzt werden. Dafür wird bei gleicher oder ähnlicher Qualifikation Bewerberinnen der Vorzug gegeben. Um Frauen eine leichtere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen, wurden in der Zentrale sogenannte Zwickeltage eingeführt. Da haben die MitarbeiterInnen an schulfreien Arbeitstagen die Möglichkeit, ihre Kinder an den Arbeitsplatz in Böheimkirchen mitzubringen, wo sie professionell betreut werden.

Hier die Detailergebnisse als PDF.


Glossar: Leaky Pipeline

Ein Erklärungsmodell für den Frauenmangel in technischen Berufen ist das »Leaky Pipeline«-Konzept. Diese Metapher einer Rohrleitung beschreibt die potenziellen Leaks in der Biografievon Frauen, an denen Frauen die technische Berufslaufbahn verlassen. Das beginnt bei der fehlenden frühkindlichen Förderung des technischen Interesses von Mädchen und reicht über die Abwesenheit von entsprechenden Vorbildern und das fehlende aktive Anwerben von weiblichen Lehrlingen und Studierenden bis hin zum für viele abschreckenden Minderheitenstatus von Frauen in technischen Berufen.

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