Mittwoch, Mai 07, 2025
»Primärhabitate verschwinden zunehmend«

Die Biologin Christina Nagl, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei BirdLife Österreich, hat »NaturvermittlerInnen« ausgebildet. Im Rahmen von Führungen geben sie Einblick in die Rolle von Steinbrüchen und Kiesgruben als Sekundärhabitate.

(+) plus: Was ist die Aufgabe von NaturvermittlerInnen?

Christina Nagl: Ich habe für mich erkannt, dass es nicht ausreicht, nur wissenschaftliche Daten im Freiland zu sammeln. Genauso wichtig ist es, diese Erkenntnisse mit den Menschen zu teilen, damit sie sehen, welche Tiere und Pflanzen vor der Haustür, im Wald oder eben in rohstoffgewinnenden Betrieben zu finden sind.

Der Workshop, den BirdLife im Jänner 2019 in Kooperation mit dem Forum mineralische Rohstoffe veranstaltete, richtete sich gezielt an Personen in Niederösterreich, die bereits als Ranger in Nationalparks oder Kräuter- und WaldpädagogInnen tätig sind. Wir können den niederösterreichischen Betrieben also ExpertInnen anbieten, die mit unterschiedlichen Gruppen gut umgehen können und das erforderliche Know-how mitbringen. 18 Personen haben die Ausbildung absolviert; 19 weitere Interessenten sind vorgemerkt, falls es noch einen weiteren Workshop gibt.

(+) plus: Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Unternehmen?

Nagl: Es soll ein Selbstläufer werden. Einerseits wird den rohstoffgewinnenden Betrieben eine Liste von NaturvermittlerInnen zur Verfügung gestellt, die diese Exkursionen anbieten. Wenn ein Betrieb z.B. einen Tag der offenen Tür veranstaltet oder eine Schulklasse einladen will, kann ein passender Naturvermittler ausgesucht und gebucht werden. Andererseits können Naturvermittler von sich aus eng mit einem bestimmten Betrieb in ihrer Region zusammenarbeiten.  Dieser Ansatz soll nun auch auf andere Bundesländer ausgedehnt werden.

(+) plus: Wie können Wirtschaft und Naturschutz in Einklang gebracht werden?

Nagl: Mein Workshop stand unter dem Titel »Naturschutz in Rohstoffgewinnungsgebieten – Kontroverse oder Potenzial?« Das ist genau der springende Punkt: Für viele wirkt eine Abbaustätte wie eine Wunde in der Landschaft, in der große Maschinen und Geräte die Natur zerstören. Man nimmt der Umwelt etwas und es sieht nicht schön aus.

Aber wenn man genau hinschaut, welche Tiere und Pflanzen in dieser umgestalteten Umgebung einen Lebensraum finden, sind es Pionierarten, die sich anderswo schwer tun, weil wir Menschen bereits sehr stark in dieses komplexe System eingegriffen haben. Der Flussregenpfeifer findet an stark regulierten Flüssen kaum noch Lebensraum, weil sich dort keine natürlichen Schotterbänke mehr bilden. Auch viele andere Tierarten weichen inzwischen auf Gewinnungsstätten aus, weil sie dort Sekundärhabitate vorfinden. Ich sehe es als Chance, wenn wir im Rahmen von Führungen darauf aufmerksam machen, dass ein Vogel jetzt hier lebt, weil seine
Primärhabitate zunehmend verschwinden.

(+) plus: Häufig kommt es bei Abbau-stätten zu Protesten von Anrainern. Fehlt es hier an Aufklärung?

Nagl: So ein Betrieb ist ein abgeschlossenes Areal. Man bekommt kaum Einblick, was dahinter passiert. Anrainer sind zusätzlich besorgt, weil vielleicht viel Staub und Lärm auf sie zukommen. Ich hoffe, dass es in Zukunft besser gelingt, die Menschen zu sensibilisieren. Gerade jene Betriebe, die sich an unserem Projekt beteiligt haben, setzen freiwillig Maßnahmen um, die die Lebensbedingungen für Tiere und Pflanzen deutlich verbessern. Die Mitarbeiter haben oft einen besonderen Bezug zu der Tier- und Pflanzenwelt, der Außenstehenden natürlich fehlt. Ich war selbst erstaunt, wie gut manche ihre Arbeitsumgebung kennen. In einem Steinbruch wussten sie, dass hier ein Feldhase immer durchhoppelt oder der Uhu zu einer bestimmten Uhrzeit hinüberfliegt und wo er dann gerne sitzt.

(+) plus: Wie steht es um die Problematik der versiegelten Flächen?

Nagl: Die Gewinnung ist immer mit einem Eingriff in die Natur verbunden. Was wir uns aber bewusst machen sollten: Wir alle brauchen diese Rohstoffe. Wir benutzen Straßen und wohnen und arbeiten in Häusern. Vielleicht hilft dieses Bewusstsein, mit den Ressourcen weniger verschwenderisch umzugehen. Wir sollten Unternehmen fördern, die umweltverträglich arbeiten. Ein Steinbruch, der abgebaut wird, verändert das Landschaftsbild für immer. In Mannersdorf wird ein Teil des Geländes sich selbst überlassen. Dieser Bereich verwildert und bleibt geschützt vor jeder anderen Versiegelung. Dort kehrt wirklich Ruhe ein und viele Tiere und Pflanzen nutzen diese Oase.

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