Dienstag, April 29, 2025
»Auf Hochglanzbotschaften ist niemand neugierig«

Christoph Harringer, Geschäftsführer von Symbiosis Strategy & Branding, berät Unternehmen hinsichtlich identitätsbasierter Markenführung. Für ihn ist Authentizität maßgeblich, um MitarbeiterInnen als Botschafter der Marke zu gewinnen.

(+) plus: Was macht ein Markenbotschafter?

Harringer: Botschafter der Marke zu sein, wird sehr oft gleichgesetzt damit, sich zu tausend Prozent dem Unternehmen zu verschreiben. Bei der Lufthansa nannte man das »den Kranich auf der Stirn tragen«. Ich glaube, man muss das differenzierter sehen. Ein Mitarbeiter kann durchaus Botschafter der Marke sein, das soll an den Kundenkontaktpunkten auch spürbar und erlebbar sein. Es muss aber nicht sein, dass jeder sein Leben nach dem Job ausrichtet, als wäre es sein eigenes Unternehmen. Diese beiden Aspekte werden sehr oft vermischt, und das ist der Punkt, wo es unrealistisch und ungesund wird. Es gibt aber durchaus Projekte, mit denen man Mitarbeiter auf die Marke einschwören kann.

(+) plus:  Welche Maßnahmen haben sich in der Praxis bewährt?

Harringer: Ein bewährter Ansatz ist eine dreiteilige Struktur. Zunächst geht es darum, die Mitarbeiter zu sensibilisieren: Warum ist das Thema wichtig, was bringt eine starke Marke? Der zweite Teil nennt sich Involvement. Hier wird versucht, die Mitarbeiter für das Thema zu gewinnen und erlebbar zu machen, wofür die Marke steht. Im dritten Teil geht es um Behavioural Branding, also die Integration ins tägliche Business: Wie sieht markenkonformes Verhalten an den Kontaktpunkten aus?

Der Stolz aufs Unternehmen, die Identifikation, das Commitment, von dem viele Unternehmer träumen, ist bedeutend vielschichtiger. Da gehört schon eine große Portion Authentizität dazu. Die Basis ist ein faires Geben und Nehmen und hängt stark vom Angebot des Arbeitgebers und einer wertschätzenden Unternehmenskultur ab, die nicht aus Lippenbekenntnissen besteht.

(+) plus: Welche Instrumente setzen Sie ein?

Harringer: Wir arbeiten viel mit Storytelling, um das Vertrauen in die Marke und das Unternehmen zu stärken. Mit Erfolgsgeschichten aus dem Unternehmen funktioniert das am besten. Soziale Medien sind dafür die ideale Plattform: Fotos oder kleine Videoclips mit Wackelkamera sind rasch produziert – in vielen Organisationen bekommt das bald einen eigenen Drive. Gegen »Jammerzirkel«, die es gerade in großen Unternehmen und Verwaltungsorganisationen oft gibt, lässt sich damit ganz gut gegensteuern.

Führungskräfte haben immer eine Vorbildwirkung und sind ohnehin erste Botschafter der Marke. Aber es ist einfacher authentischer, wenn man sieht, was die eigenen Kolleginnen und Kollegen Tag für Tag auf die Beine stellen. Auf Hochglanzbotschaften ist ohnehin niemand neugierig.

(+) plus: Wie lange dauert es, bis die Projekte greifen?

Harringer: Es gibt die Theorie, dass ein tiefgreifender Kulturwandel zehn Jahre dauert. Kurzfristige Prozesse, bei denen es nur darum geht, die Markenkontaktpunkte zu schärfen, laufen bei kleineren Organisationen etwa über ein halbes Jahr. Wir haben aber Kunden, wo sich das über mehrere Jahre erstreckt, zum Beispiel weil das Unternehmen in mehreren Ländern vertreten ist oder einen hohen Vertriebsanteil hat.

(+) plus: Transportieren die Unternehmen ein falsches Bild nach außen, das in der Realität nicht hält?

Harringer: Es gibt eine Kienbaum-Studie aus dem Jahr 2011, in der 80 % der befragten Mitarbeiter angeben, die Unternehmenswerte werden nach innen nicht gelebt. Selbst wenn sich das schon gebessert hat – was ich hoffe –, betrifft es wahrscheinlich noch immer mehr als die Hälfte. Die ersten Wochen und Monate im Unternehmen sind entscheidend: Da zeigt sich die Diskrepanz zwischen den Versprechungen und den tatsächlichen Erfahrungen. Nur was innen brennt, kann nach außen strahlen, heißt es. Das gilt für die Marke ebenso. Kunden und Mitarbeiter zu verlieren, kann sich heute kein Unternehmen mehr leisten.

(+) plus: Welche Rolle spielt Social Media in diesem Zusammenhang? Wie fair sind Bewertungen und wie groß ist der Druck, der auf den Unternehmen
lastet?

Harringer: Unternehmen hegen zu Bewertungsplattformen, etwa kununu, eine Hassliebe. Es ist ein sehr defensives Instrument. In erster Linie bewerten unzufriedene oder ehemalige Mitarbeiter das Unternehmen. Der Bewertungsdurchschnitt ist somit nicht repräsentativ, wirkt aber nach außen natürlich bitter.

Ich kenne Unternehmen, die eigentlich ein sehr gutes Arbeitsklima haben, aber mit negativen Einstufungen leben müssen. Wir empfehlen unseren Kunden, Bewertungen grundsätzlich zu kommentieren, um zu zeigen, dass man sie ernst nimmt. Trotzdem muss es im Rahmen bleiben. Wenn Verunglimpfungen gegen die Policy verstoßen, kann man eine Löschung beantragen – das sollten Unternehmen auch tun.

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