Donnerstag, April 17, 2025
Verdenkzettelt
Bild: iStock

Alle paar Jahre dürfen wir endlich beweisen, dass wir unsere jeweilige Volksvertretung wirklich verdient haben. Eine Sadomasochismusdiagnose von Rainer Sigl.


Ahhh, herrlich, diese Herbstluft! Riechen Sie’s auch? Dieses erdige, feuchte Aroma von Angstschweiß und Unterhosenbremsstreifen? Diese scharfe Note von Stammtischurin mit einer Nase von Pogrom-Fluchtachterl? Ein kühles Lüfterl von Veränderung, das romantisch wie aus den modrigen Kellern voller Jugendsünden vom Uropa entströmt? Ein heißer Sommer liegt hinter uns, aber da kommt’s grad recht, dass es einem im Herbst ein bisschen die Ganslhaut aufzieht.

Ich glaub, Sie haben’s eh auch schon bemerkt: Die freundlichen Köpfe auf Plakatwänden und Dreiecksständern, die uns alles Mögliche versprechen und androhen, künden vom altehrwürdigen Ritual einer jeden Demokratie: Es wird gewählt! Und wäre man Zyniker, könnte man anmerken, dass es halt schon fast ein bissl gemein ist, dass man in dieser besten aller bekanntesten Regierungsformen auch noch selbst an der jeweiligen Obrigkeit schuld ist. Davon konnte unser Ehrenlandsmann Leopold von Sacher-Masoch damals im k.u.k. Kaiserreich noch nix wissen, aber er hätte es vermutlich geil gefunden.

Gewählt wird hierzulande aus Tradition ja entweder z’Fleiß oder mit Bauchweh, was zugegeben beides nicht unbedingt im Sinne der altgriechischen Erfinder der Volksherrschaft gewesen sein dürfte. Aber mal ehrlich: In Athen, an der Wiege der Demokratie, durften zunächst mal sowieso nur die G’stopften wählen und damit mitbestimmen. Was, wenn man’s näher überlegt, ziemlich viel Zeit und WhatsApp-Nachrichten gespart haben muss. Diese Abkürzung bleibt uns verwehrt, immerhin haben wir leider vom Baum der demokratischen Erkenntnis ein wurmiges Kriecherl genascht und sind uns deshalb unserer staatsbürgerlichen Verantwortung an der Misere nolens volens bewusst. Uns bleibt leider nichts anderes übrig als die Qual der Wahl der Qual.

Nicht erst seit kurzem hat sich wohl auch deshalb z’Fleiß Wählen als großer Renner herausgestellt, eine Art anarchisch-destruktive Selbstverstümmelung an der Wahlurne, ein erneuter lustvoller Kopfsprung hinein in die Gatschlacken, gefolgt vom Verweis darauf, dass es eh schon wurscht ist, weil eh vom letzten Mal noch alles voller Dreck ist. Das kann sich durchaus auf animalische Art und Weise richtig anfühlen. Sie kennen das doch auch! Einmal aus Protest nicht das Vollkornbrot kaufen, sondern den Schweizerkracher! Macht zwar nicht satt, aber Hauptsache, es klescht!

Länger als zehn Sekunden nachdenken sollte man über derartige Bauchentscheidungen nicht, sonst schlägt’s ins oben genannte zweite traditionelle Wahl­entscheidungsverhalten – mit Bauchweh – um. Der Gedanke etwa, dass Parteien, die justament wegen eines einzelnen beliebigen Missstandes gewählt werden, unter Umständen gar nicht soooo energisch an dessen Behebung arbeiten könnten, weil sie sich damit ja quasi ins eigene Knie schießen würden, ist allem Anschein nach schon zu komplex für Menschen, die ansonsten durchaus einen Führerschein haben und nicht besachwaltet werden.

Aber egal: Auslöffeln müssen wir’s ja eh alle gemeinsam. Man könnte sagen: Geschieht uns recht. Zumindest
einigen.

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